: Rommel und kein Friede
Im Osten Württembergs ist der Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891–1944) immer noch ein Held. Die Stadt Heidenheim hält an einem Denkmal zu seinen Ehren fest, und in Schwäbisch Gmünd hätten mehr als tausend Bürger den Tunnel der neuen Ortsumgehung gern nach „Hitlers Lieblingsgeneral“ benannt. Was schon nach Geschichtsvergessenheit schmeckt
von Hermann G. Abmayr
Das „besonders große Schweigen“ war's, das Wolfgang Proske herausgefordert hat. Warum war Rommel kein Thema, mal abgesehen von seinem Denkmal und der Tafel an seinem Geburtshaus? Geschichtsvergessenheit, Ignoranz, Gleichgültigkeit, Verdrängung? Der 57-jährige Geschichtslehrer weiß es nicht, er wusste nur, dass er dem abhelfen wollte. So hat er sich in den beiden vergangenen Jahren intensiv mit Erwin Rommel beschäftigt und ihn in dem Buch über „NS-Belastete von der Ostalb“, dessen Herausgeber er ist, verewigt. Als gebürtiger Heidenheimer, der in Schwäbisch Gmünd sein Abitur gemacht hat, war Rommel ein Pflichtkapitel.
Für Proske ist Rommel ein „gewöhnlicher Kriegsverbrecher“, ein – obwohl nicht Mitglied der NSDAP – „aus tiefstem Herzen überzeugter Nationalsozialist“, der Hitler bis zum Tode verehrt habe. Klar, dass sich Proske für die Umbenennung der Rommel-Kaserne in Dornstadt nahe Ulm ausspricht und gegen das Rommel-Denkmal in Heidenheim ist, das 1961 eingeweiht wurde. Der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU), ein „furchtbarer Jurist“ im Dritten Reich, der später deswegen zurücktreten musste, hatte damals die Festrede gehalten. Stifter war der „Verband des deutschen Afrikakorps“, ein Traditionsverband ehemaliger Wehrmachtssoldaten, die in Libyen, Tunesien und für ein paar Tage auch in Ägypten im Einsatz waren. Bezahlt haben außerdem das Innenministerium und die Stadt Heidenheim, der das Werk seitdem gehört.
NS-Krieger oder doch ein Haudrauf als Namensgeber
Nicht ahnen konnte der promovierte Sozialwissenschaftler Proske bei seinen Studien, dass der Wehrmachtsgeneral bei einer von der Stadt Schwäbisch Gmünd organisierten Internetabstimmung über die Benennung von Deutschlands teuerster Ortsumgehung (2,3 Kilometer/230 Millionen Euro) eine wichtige Rolle spielen wird. Obwohl die Stadtverwaltung einige Namensvorschläge streicht, gibt es über Erwin Rommel keine Diskussion. Denn der „Wüstenfuchs“ wird hier (wie in Aalen und anderen Städten) mit einer eigenen Straße geehrt. Prompt belegt der Name Erwin-Rommel-Tunnel den zweiten Platz. Und in den Medien fragt niemand nach dem Geschichtsverständnis, das sich dahinter versteckt, woher die Stimmen stammen oder ob die 60.000 Einwohner zählende Stadt nur eine Ausnahmeerscheinung sein könnte.
Den ersten Platz mit 114.542 Stimmen erzielte Bud Spencer, der mit seinen Westernkomödien an der Seite von Terence Hill bekannt wurde. Die Fangemeinde des heute 81-jährigen italienischen Schauspielers hatte weltweit über Facebook und andere soziale Netzwerke mobilisiert. Jetzt verlor der Gmünder Stadtrat seinen „basisdemokratischen“ Mut. Die Mehrheit lehnte den Namen Bud-Spencer-Tunnel ab. Um dessen Freunde zu beruhigen, soll stattdessen das Freibad nach dem Kinohelden benannt werden, denn der hatte unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli 1951 als Leistungsschwimmer in Schwäbisch Gmünd an einem Wettkampf zwischen Deutschland und Italien teilgenommen.
Die Stimmen für den Westernhelden kamen aus dem In- und Ausland. Ob auch Rommel Unterstützung außerhalb Gmünds bekam, ist nicht bekannt. Entsprechende Internet-Aufrufe wie bei Spencer gab es jedenfalls nicht. „Beste Chancen“, Namenspatron für den B-29-Tunnel zu werden, so die Bild-Zeitung, habe jetzt Erwin Rommel. Gmünds Rathaussprecher Markus Herrmann geht allerdings davon aus, dass sich der Gemeinderat für einen Namen mit topografischem Bezug entscheiden wird, denn es habe sich bisher kein einziger Stadtrat offen für Rommel ausgesprochen.
Repräsentant eines verbrecherischen Regimes
In Rommels Geburtsstadt Heidenheim, 90 Kilometer von Schwäbisch Gmünd entfernt, diskutiert man schon länger über den ehemaligen Generalfeldmarschall. Wolfgang Proske hatte nach Erscheinen seines Buches vorgeschlagen, das Naturstein-Denkmal für Rommel, das auf dem Zanger Berg steht, am 12. November, genau 50 Jahren nach der Einweihung, zu entfernen oder umzuwidmen. Man könnte, so der Lehrer, der an zwei Gymnasien der Region unterrichtet, an dieser Stelle der Opfer der KZ-Lager auf dem Heidenheimer Schlossberg gedenken. Auch die Widmung am Geburtshaus des „Wüstenfuchses“ in der Bahnhofstraße 5, das die Eigentümerin Post AG – Ironie der Geschichte – an einen Afro-Shop vermietet hatte, gefällt Proske nicht. Schließlich habe die Stadt Goslar schon 2001 eine Rommel-Gedenktafel wieder entfernen lassen, da der Berufssoldat, so die Mehrheit im Stadtrat, „Repräsentant eines verbrecherischen Regimes“ gewesen sei und sich nicht zur „Aufarbeitung der Geschichte“ eigne. Auch in Heidenheim wurde die Tafel mittlerweile entfernt. Doch weder auf Veranlassung des Gebäudeeigentümers, der Post AG, noch der Stadtverwaltung, sondern von Unbekannten. Nach Angaben von Wolfgang Heinecker, dem Sprecher der Stadtverwaltung, wird das Gedenkschild nach dem Muster des alten wieder angebracht.
Erwin Rommel gelte in der neueren historischen Literatur längst nicht mehr als zwar verführter, aber anständig gebliebener Soldat oder gar als Angehöriger des militärischen Widerstands gegen Hitler, sagt Proske. Pompöse Erzählungen in den Nachkriegsjahren hätten dies glauben machen wollen. Schon Mitte der 80er-Jahre hatten Anhänger der Friedensbewegung die Rommel-Gedenkmauer mit einem Tuch verhüllt, auf dem die Frage stand: „Dem Nazi-Helden ein Denkmal?“ Das Haus der Geschichte in Stuttgart hatte ein Foto dieser Aktion 2009 bei der Ausstellung „Mythos Rommel“ gezeigt.
Proske dachte, er würde mit seinem Vorstoß in Heidenheim inzwischen offene Türen einrennen. Doch weit gefehlt: Heidenheims Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) sehe, so seine erste Reaktion, „keinen Anlass, die angeregten Änderungen vorzunehmen“. Und Ulrich Grath, der Vorsitzende der Stadtratsfraktion der Freien Wähler, verwahrte sich dagegen, „ständig alten Brei wieder aufzukochen“.
Nach einer Leserbriefschlacht erklärten bei einer Umfrage der Heidenheimer Zeitung zwei Drittel der Befragten, das Rommel-Denkmal störe sie nicht. Ein Viertel kreuzte die Aussage „Stört mich sehr“ an. Trotzdem ist es einigen Gemeinderäten und dem OB nicht ganz wohl in ihrer Haut. So hat Bernhard Ilg jetzt den Vorschlag eines Gemeinderats aufgegriffen, neben dem Rommel-Denkmal ein Schild mit einer Inschrift aufzustellen, die allerdings alles offenlassen und damit am Rommel-Mythos nicht kratzen würde. Ihr Inhalt: „50 Jahre nach seiner Einweihung steht eine Generation vor diesem Denkmal, die in einem einigen und friedlichen Europa ihre Heimat gefunden hat. Tapferkeit und Heldenmut, Schuld und Verbrechen liegen im Krieg eng zusammen. Möge das Schicksal Rommels und seiner Soldaten bleibende Mahnung sein, unsere Jugend in eine friedliche Zukunft zu führen.“
Bald ist der „Wüstenfuchs“ wieder mal im Fernsehen
Die Diskussion in Heidenheim wird weitergehen: „Muss man das denn aufwärmen, solange der Sohn noch lebt“, heißt es längst immer wieder. Gemeint ist Manfred Rommel (CDU), von 1974 bis 1996 Oberbürgermeister von Stuttgart. Der 82-Jährige dürfte sich aber für ein anderes Projekt weit mehr interessieren. Nico Hofmann und seine Firma Team-Worx („Dresden“, „Die Flucht“) produzieren zurzeit im Auftrag des SWR für das Erste Programm des deutschen Fernsehens einen Spielfilm über die letzte Phase im Leben Erwin Rommels. Rommels Sohn Manfred hat bereits vorgearbeitet: Sein 2010 erschienenes Buch trägt den Titel: „1944 – Das Jahr der Entscheidung“. Der Filmproduzent Hofmann will mit seinem Rommel-Projekt einen persönlichen Schlussstrich ziehen: Es soll sein letzter großer Fernsehfilm zum Thema Drittes Reich werden.
Die Zeitgeschichtler können dagegen noch keinen Schlussstrich ziehen, meint Wolfgang Proske. Vor allem die Archive im Ausland seien bei der Rommel-Forschung vernachlässigt worden. Hilfreich wären Recherchen in Nordafrika und Frankreich; interessant könnten die Hinterlassenschaften des Obersts Marie-Pierre Koenig sein. Er stand den Soldaten von Rommel als Kommandant der freien französischen Verbände in der libyschen Oase Bir Hakeim gegenüber. Unter Koenig kämpften damals auch deutsche und österreichische Freiwillige einer jüdischen Brigade. Als Hitler das erfuhr, hat er angeordnet, sie sofort zu erschießen.
Hermann G. Abmayr ist Herausgeber des Buches „Stuttgarter NS-Täter“. Er arbeitet als Journalist, Buchautor und Filmemacher in Stuttgart.