Rommel-Verehrung in Ägypten: Die Mumie von Marsa Matruh
Weil es in der ägyptischen Provinz keine Pyramiden, Pharaonengräber oder sonstige touristische Attraktionen gibt, wird eben verehrt, wer mal da war: Hitlers Generalfeldmarschall Rommel.
Erwin Rommel (1891 bis 1944) profilierte sich erstmals im Frankreichfeldzug 1940 und avancierte im Jahr darauf wegen seiner Erfolge als kommandierender General des Deutschen Afrikakorps parteiübergreifend zur Ikone. Dass er 1944 von Hitler zum Selbstmord gezwungen wurde, beförderte noch die Mythenbildung - mit der sich seit Donnerstag die Ausstellung "Mythos Rommel" im Haus der Geschichte in Stuttgart kritisch auseinandersetzt.
Zwei Männer in Uniform sitzen in einem Holzverschlag vor einem großen Brocken Stein. Sie trinken Schwarztee und sagen, dass das, was es hier zu sehen gebe, weltweit einzigartig sei. Zwanzig ägyptische Pfund, etwas mehr als zwei Euro, koste der Eintritt, und ja, es würde sich lohnen. Über dem Eingang, der in diesen Brocken Stein führt, ist der Schriftzug "Rommel Museum" gemeißelt, in lateinischer und arabischer Schrift.
Die Besucher müssen durch einen Metalldetektor gehen, der nicht funktioniert, und folgen dann einem Gang, der zwanzig Meter tief in eine Höhle führt. An den Wänden hängen Fotos von Erwin Rommel, Bilder in Schwarz-Weiß, die Hitlers Generalfeldmarschall in Uniform zeigen, dreizehn Stück, die Bilder sind beleuchtet. Am Ende des Ganges gibt es einen Raum, nicht viel größer als ein Wohnzimmer, in dem Rommels Mantel ausgestellt ist, eine Hakenkreuzflagge, Karten, eine verstaubte Kiste und eine Büste.
Das ist so ziemlich alles, was es hier zu sehen gibt, im Rommel-Museum in Marsa Matruh in Ägypten. Doch für die Bewohner ist dieser Ort mehr als eine Höhle, in der ein kleiner Haufen Nazi-Sperrmüll liegt. Erwin Rommel ist hier dermaßen beliebt, dass sie eine Insel nach ihm benannt haben, einen Strand und eine neu gebaute Brücke. Es gibt ein Rommel-Café und ein Rommel-Hotel, hier, in Marsa Matruh, einer Stadt am Mittelmeer, die ziemlich genau zwischen Alexandria und der libyschen Grenze liegt und in der ziemlich genau einhunderttausend Menschen leben, die an Allah glauben. Die Frauen sind verschleiert, oft dermaßen lang und dick, dass nur die Augen frei bleiben. Früher hatten die Menschen hier Angst vor Schakalen, die in der Wüste lebten, und wenn sie selber in die Wüste gingen, fürchteten sie sich vor den sieben Millionen Landminen, die im Zweiten Weltkrieg vergraben wurden. Sie handelten mit Pfefferminze und Feigen und pflanzten Rizinus an, den sie zu Öl pressten. In Marsa Matruh gibt kein Bier zu kaufen. In Marsa Matruh beginnt die Wüste. Doch dann, Ende der Siebzigerjahre, erinnerten sich plötzlich einige Bewohner, dass Erwin Rommel hier lebte.
Rommel war Hitlers General, und mit Hitler können die meisten Ägypter etwas anfangen, weil er die Juden hasste. Viele Ägypter hassen die Juden auch, weil sie die Palästinenser vertrieben hätten, ihre muslimischen Brüder. In Ägypten ist die arabische Ausgabe von "Mein Kampf" eines der populärsten Bücher, das zwar kaum jemand versteht, aber in jedem Zeitungsladen zu kaufen ist. Zeitungen, die über Israel und Palästina schreiben, drucken Hakenkreuze, um das Geschriebene zu bebildern.
Es gibt Menschen in Marsa Matruh, die deutsche Touristen fragen, ob sie stolz auf Hitler seien. Und es gibt Menschen wie Mohammed Hamsa Abdallah, der auch nicht viel über Hitler und Rommel weiß, aber daraus Geld machen möchte.
Mohammed Hamsa Abdallah ist 40 Jahre alt und hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Er ist der Direktor des "Rommel-House"-Hotels in Marsa Matruh. Abdallah trägt eine Brille und blaues Hemd zu blauer Jeans. Er hat etwas Hornhaut auf der Stirn, die vom vielen Beten kommt, weil die Stirn den Teppich häufig und kräftig berührt. Abdallah ließ vor achtundzwanzig Jahren ein Drei-Sterne-Hotel in den Wüstensand bauen, genau dort, wo früher eine Hütte stand, in der sich Rommel versteckt haben soll. Ein massiver Klotz mit elektrischem Aufzug, vier Stockwerke hoch, mit Betten für 112 Gäste und nicht zu nah an der Corniche, der Küstenstraße.
Das Rommel-House war ausgebucht, die Araber aus den reichen Ölstaaten entdeckten damals das Reisen und flohen im Sommer an das kühlere Mittelmeer, und schon bald wurden mehr und mehr Häuser und Hotels gebaut, so nah, dass sich die Gäste nun von Balkon zu Balkon die Hand reichen können. Das ärgert Abdallah, denn er hat sein bestes Zimmer dadurch verloren, Nummer zwölf, vierter Stock. Jenes mit dem Doppelbett für zehn Euro die Nacht, mit Kühlschrank und Fernsehgerät und den gelb-braunen Vorhängen. Das Besondere an diesem Zimmer war der Ausblick. Die Gäste konnten das türkisfarbene Meer sehen und sie sahen die Rommel-Insel, auf der das Rommel-Museum steht.
Auf der Insel gibt es auch den Rommel-Strand, an dem sich der General erholt haben soll, so erzählt man es in der Stadt. Der Strand ist sauber, im Sand stecken weiße Plastikstühle und blau-rot gestreifte Sonnenschirme und Autos stehen da, denn die Ägypter laufen nicht zum Strand, sie fahren. Es gibt in Marsa Matruh mittlerweile fünfundsiebzig Hotels, fünf Kinos und McDonalds und Burger King, die ausschließlich von Juni bis Oktober geöffnet haben. Im Winter kommt niemand nach Marsa Matruh. Es ist zu kalt.
Hitler kommandierte Rommel im Winter 1941 nach Nordafrika, um den Italienern zu helfen. Er sollte gegen den britischen General Montgomery in den Krieg ziehen. Rommel kämpfte in der Wüste Libyens und Ägyptens. Das war die "Operation Sonnenblume". "Ägypter und Deutsche haben sich im Krieg gut verstanden", sagt Abdallah. Das war deshalb so, sagt er, weil Rommel nicht als Besatzer gekommen sei, die Briten aber schon. Was Hitler über Afrikaner dachte, über Menschen mit dunkler Hautfarbe, Menschen wie ihn, das wisse er nicht. Im Herbst 1942 wurde Rommel in El Alamein, 184 Kilometer östlich von Marsa Matruh, vernichtend geschlagen. In seinen letzten Tagen in Marsa Matruh soll er in einer Höhle, die nun das Museum ist, geheime Kriegspläne entworfen haben. "Deutschland ist ein reiches Land. Wir Ägypter sind arm. Sie müssen stolz sein auf Leute wie Rommel, die Deutschland so weit nach vorne gebracht haben", sagt Abdallah. So wie der Hoteldirektor denken viele Menschen in Ägypten, die nicht wissen oder nicht wissen wollen, was in der Nazi-Zeit passierte. Der ehemalige Gouverneur von Kairo, General Saad Mamun, ließ deshalb vor dreißig Jahren das Rommel-Museum eröffnen, "aus Verehrung für den Kommandanten und aus Bewunderung für die Disziplin der deutschen Soldaten im Afrika-Korps". Die Ausstellungsstücke in der Höhle seien Geschenke von Rommels Sohn, sagt Abdallah. Viel gibt es jedenfalls nicht zu sehen, und manches versteht man auch nicht, wie die zwei Zitate, die in Bilder gerahmt sind, mit Worten auf Arabisch und Englisch, die schlampig übersetzt wurden. Sie sollen das Wirken Rommels beschreiben. Eines geht so: "Rommel sagte: Moderne Kriegsführung braucht persönliche Führung durch Funk, nicht durch Konferenzen oder aus Büros." Die Region brauche solche Attraktionen wie das Museum, sagt Abdallah, denn das Tourismusgeschäft sei kein leichtes mehr… Die terroristischen Anschläge geschahen in Luxor und am Roten Meer, weit weg von Marsa Matruh, doch die Gäste kamen trotzdem nicht mehr. Und wenn sie ans Mittelmeer fahren, an die muslimische Mittelmeerküste Ägyptens, übernachten sie in den abgesperrten Urlaubsresorts, die in den vergangenen Jahren in den Sand betoniert wurden. "Wir haben keine Pyramiden und keine Pharaonengräber, wir haben nur eine wunderbare Landschaft, die uns Gott gegeben hat", sagt Abdallah. "Und wir haben Rommel, den die ganze Welt kennt."
Das staatliche Tourismusbüro lässt Prospekte in fünf Sprachen drucken. In der deutschen Ausgabe steht geschrieben, dass "sich die Stadt durch die das ganze Jahr hindurch aufgehende Sonne auszeichnet" und dass "auf dem Sand des Gouvernorats Matruh die heftigste Schlacht des Weltkrieges stattfand". Und weil der Übersetzer des Prospekts das ß durch ein b ersetzte, liest man auch, dass "Alexander der Grobe" in Marsa Matruh übernachtete, als er auf dem Weg zur Oase Siwa war. Das Rommel-Museum wird im Kapitel "Die wichtigsten touristischen und archäologischen Plätze" vorgestellt. Viele seiner arabischen Gäste im Hotel hätten eine gute Meinung von Rommel, und denjenigen, die nichts mit Rommel anfangen können, sagt Abdallah das, was er über ihn weiß: dass der Mann Deutscher war und Hitlers bester General. Ausländische Gäste, und damit meint Abdallah die Gäste aus Europa, kommen nur wenige nach Marsa Matruh, weil kaum jemand die Stadt kennt. Er hofft, dass sich das bald ändern wird, denn die Europäer könnten die Region internationaler machen und damit reicher, denn die Europäer haben mehr Geld als seine Stammgäste aus Ägypten und den arabischen Staaten. Im vergangenen Sommer zählte er dreißig Urlauber aus Europa, viele davon waren Deutsche, sagt er. Die Deutschen würden hier übernachten, weil ihnen der Name Rommel vertraut sei. Manche kommen auch, weil sie an Geschichte interessiert sind. Das hätten ihm die Gäste so erzählt.
Vor zehn Jahren reiste eine Gruppe deutscher Männer in den muslimischen Badeort. Sie kamen mit Übersetzern und erzählten, dass sie Journalisten seien und eine Dokumentation über Rommel drehen wollten. Sie seien sehr nett gewesen, sagt Abdallah. Sie haben ihm ein Foto von Erwin Rommel in Schwarz-Weiß geschenkt, das nun in seinem Büro hängt. Mehr haben die Leute nicht gesagt. "Solche Leute", sagt Abdallah, "kommen ab und zu in mein Hotel." Rommel sei eben ein bekannter Mann gewesen. Ob manche dieser Gäste Nazis sind, weiß der Hoteldirektor nicht. Abdallah sagt, er wisse nicht, "was ein Nazi ist".
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