Rollstuhlrugbyist olympische Disziplin: Britta Kripke fährt nach Paris

Die Rollstuhlrugby-Spielerin war die erste Frau im deutschen Nationalteam. Nun nimmt Britta Kripke an den Paralympics teil.

Als Frau war sie Pionierin in der deutschen Rollstuhlrugby-Nationalmannschaft: Britta Krupke Foto: Team D paralympic/dpa

HAMBURG taz | Die Hamburgerin Britta Kripke kann einen Ball nicht richtig festhalten. Denn nicht nur ihre Beine, auch ihre Arme und Hände sind von der neuromuskulären Erkrankung namens CMT betroffen. Trotzdem spielt sie Rollstuhlrugby, war sogar die erste Frau, die je für die deutsche Nationalmannschaft nominiert wurde. Jetzt fährt zu ihren ersten Paralympische Spielen nach Paris.

„Wir sind krasser Außenseiter“, sagt Kripke. Seit 16 Jahren waren die Deutschen nicht mehr dabei. „Mein Traum wäre es, ein Spiel zu gewinnen.“

Vier gegen vier auf einem Basketballfeld, ein Volleyball als Spielgerät, der über die gegnerische Torlinie muss – das ist Rollstuhlrugby. Der Ball darf gedribbelt, getragen und in alle Richtungen geworfen werden. Angriffe sind zeitlich begrenzt. Rollstuhlrugby sieht eher aus wie eine Mischung aus Autoscooter, Handball und Basketball – weniger wie das herkömmliche Feldrugby.

Kripke ist 47 Jahre alt. 2015 begann ihre Nationalmannschafts-karriere, 2006 ihre Reise mit dem Sport. „Ich war damals in der Reha und habe gefragt, welchen Sport ich machen könnte. ‚Schwierig‘, war die Antwort.“ Eines Besseren belehrt wurde sie kurz darauf bei der Rehacare-Messe in Düsseldorf.

Zwei Frauen in der Nationalmannschaft

In der Halle mit den Parasportarten entdeckte Kripke Rollstuhlrugby. „Ich dachte erst klischeemäßig, dass ich das gar nicht kann.“ Doch wenig später begann sie in Hamburg mit dem Training: In dem Verein, der heute „Alstersport“ heißt – und kürzlich die Sparte Rollstuhlrugby gestrichen hat, erzählt Kripke.

Sie spielte sich bis in die Bundesliga, wo sie heute für ein Leipziger Team antritt. Hamburg hat kein Bundesligateam. Gespielt wird immer in gemischten Teams. „99 Prozent sind ohnehin Männer“, sagt Kripke. Frauenteams gibt es gar nicht. In der deutschen Nationalmannschaft ist inzwischen eine zweite Frau dabei.

Ursprünglich hieß die Sportart „Murderball“. „Das kam marketingtechnisch aber nicht so gut an“, sagt Kripke. Das Besondere am Rollstuhlrugby und ein großer Unterschied zu anderen Parasportarten wie Rollstuhlbasketball: Nur Menschen mit Einschränkungen an mindestens drei Extremitäten dürfen mitmachen. Zwei nicht-funktionstüchtige Beine reichen also nicht.

Je nach Schwere der Einschränkung haben die Spie­le­r*in­nen Punkte – je weniger, desto schwerer. Kripke hat eine eins; wegen ihrer physischen Nachteile als Frau gibt es nochmal 0,5 Abzug. Maximal acht Punkte darf ein Team zeitgleich aufstellen.

Als eine 0,5 ist Kripke meist die Schwächste. Da sie Probleme mit der Ballkontrolle hat, spielt sie in der Verteidigung. Sie hat einen Rollstuhl, mit dem sie sich bei den Geg­ne­r*in­nen einhaken und diese so blocken kann. Und wenn sie doch mal an den Ball muss, helfen spezielle Handschuhe mit extra Grip.

Stuhlkontakt ist erlaubt

Die Spie­le­r*in­nen sind am Rollstuhl festgegurtet. „Bei Stürzen fliegt man nicht aus dem Stuhl, sondern mit ihm.“ Stuhlkontakt ist erlaubt, Körperkontakt nicht. Die Zusammenstöße sehen von außen heftiger aus, als sie sind, sagt Kripke. Obwohl sie mit ihren 56 Kilo mit hoher Geschwindigkeit auch auf doppelt so schwere Männer trifft, verschleißt der Sport sie nicht – er hilft ihr vielmehr, trotz der fortschreitenden Krankheit fit zu bleiben.

Einziges Manko: Der gesamte Urlaub, den sie als Kaufmännische Angestellte in einem Käsegroßhandel hat, geht für den Leistungssport drauf. „Man muss bereit sein, sein ganzes Leben danach auszurichten“, sagt die Athletin.

Am 28. August werden die Paralympischen Spiele eröffnet. Am 29. steigt das erste Spiel der Deutschen gegen Japan.

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