piwik no script img

Rollo ist Dürüm

■ Warum gibt es die fleischhaltige Brotrolle nur in Bremen? Wer erfand Rollo? Ein gastronomischer und migrationstheoretischer Exkurs

s gibt Hähnchen-Rollo, Zigeuner-Rollo, Pizza-Rollo, Salami-Rollo, Thunfisch-Rollo, Hawaii-Rollo, Giros-Rollo, Kiski-Rollo, Lamm-Rollo, Rollo indisch, Rollo vegetarisch. Und das ist erst der Anfang. Ob am Gifteck oder am Bahnhof, beim Türken am Puff oder in den Imbißbuden der Neustadt – Rollo ist so normal wie die Straßenbahn oder der Hundehaufen unterm Schuh. Rollo ist aus Bremen nicht wegzudenken.

Und dann kommt Bernie aus Berlin zu Besuch. Freddie aus Frankfurt. Onkel Heini aus Hamburg. Was, um Himmels willen, „Rollo“sei, begehren sie zu erfahren. Auch Bremer Neubürger wollen sich über die ihnen fremde Rolloschwemme gar nicht beruhigen. Unser Gewährsmann aus Rinteln a.d.Weser verbürgt sich dafür, daß es weder in Rinteln noch im ganzen Schaumburg-Lippischen, nicht in Ostwestfalen und schon gar nicht in Berlin, wo er Einblick in gut 200 Imbißbuden nehmen konnte, Rollo im Angebot gibt. Ein gewisser Nahostexperte aus Berlin übernimmt die entsprechende Gewähr für den kompletten Nahen Osten. Und der Bremer erfährt wieder einmal, daß Bremen nicht die Welt ist. Jenseits von Bremen und seinem Speckgürtel ist Rollo gänzlich unbekannt. Tja.

Tja. Dann muß Rollo eine Bremer Erfindung sein. Und tatsächlich: Ein alter Streit tobt zwischen zwei Bremer Imbiß-Dynastien darum, wer das gefüllte und gerollte Teigstück erfunden hat. Auf der einen Seite: Das legendäre, blau lackierte „Griechische Taverna Spezialitäten“am Sielwall, laut Eigenwerbung auch „der Gyrosspezialist seit 1978“und „Erfinder des Gyros Pita“. Dagegen hält der „Kismet“-Clan mit seinen gastronomischen Betrieben Kismet I, II, III, IV und V. im „Viertel“sowie am und im Bahnhof. Fragen wir Herrn Ali Gülec, Kismet-Geschäftsführer, seit 73 in Bremen, seit 79 Gastronom, machte Anfang der 80er das erste Kismet im Steintor auf, unterhält das Kismet-Konsortium zusammen mit drei Brüdern und seinem Vater. Herr Gülec erklärt: „Rollo gibt es seit tausend Jahren!“

Rollo leitet sich vom deutschen „Rolle“her, und das heißt auf Türkisch „Dürüm“, und Dürüm verkaufen seit Menschengedenken türkische Straßenverkäufer in den Städten am Mittelmeer.

Sie haben einen kleinen Handwagen mit Holzgrill und Schornstein, grillen winzige Fleischstückchen am Spieß (Cöp sis), erwärmen Brotfladen und rollen das Fleisch mit Petersilie und Tomaten hinein. Wer das nicht glaubt, soll, sagt Herr Gülec, nach Iskenderun fahren.

Herr Gülec ist ein Mensch, dem die Wahrheit wichtiger als das Marketing ist. Er besteht nicht darauf, daß er es war, der Rollo nach Bremen brachte oder gar erfand. „Rollo hatten die Griechen auch,“gesteht er. Wahrscheinlich auch seit tausend Jahren, und die Frage wäre also, wer wem das Rollobacken in antiker Zeit abgeguckt hat.

Betrachten wir lieber die andere Frage: Warum gibt es Rollo dann nur in Bremen? Hierzu sei der Migrationsexperte Manfred D. zitiert, der auf Nachfrage ohne jegliches Zögern folgende Theorie in die Welt setzte: Die nach Deutschland einwandernden Türken verteilten sich seinerzeit gemäß ihrer regionalen Herkunft im Land.

Und so mag es gekommen sein, daß Bremen ein Zentrum der Mittelmeertürken wurde. Die brachten ihren Dürüm mit, nannten ihn „Rollo“, schubsten die Currywurstpommeskultur in die Weser.

Und seitdem ist Rollo aus Bremen nicht mehr wegzudenken. BuS

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen