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Rolli-Stadtführer in Geldnot

■ Sozialsenat und Behindertenverein streiten sich um die Finanzierung eines Handbuchs für RollstuhlfahrerInnen / Eigenbroschüre oder Senatsheftchen ?

Demnächst soll ein Stadtführer für Rollstuhlfahrer erscheinen. Alle finden ihn gut, aber öffentliche Gelder stehen dafür so gut wie nicht zur Verfügung. Den neuen Stadtführer hat der Behindertenverein „Ambulante Dienste“ entwickelt, der Sozialsenat sagte ihm Mitte 1989 finanzielle Unterstützung für das Projekt zu. Jetzt aber, nach einem dreiviertel Jahr Arbeit an dem Stadtführer, will die Senatsverwaltung den Druck nicht finanzieren, obwohl das Werk fast veröffentlichungsreif ist.

„Wir haben viel zu spät von diesem Projekt erfahren, als daß wir noch Haushaltsmittel bereitstellen konnten“, sagt Rita Hermanns, Pressesprecherin des Sozialsenats. So habe man dem Lottobeirat das Projekt „dringend zur Finanzierung empfohlen“. Der Lottobeirat aber hat die Finanzierung abgelehnt. „Wir sind jetzt in einer etwas mißlichen Lage, wir hatten das Finanzierungsproblem ja für längst gelöst gehalten“, sagt Rita Hermanns. Aus den eigenen Haushaltsmitteln könne man den Rollstuhlführer nicht bezahlen. Hermanns: „Wir haben eben keine Mittel für zwei Stadtführer.“

Die Landesbehindertenbeauftragte Angela Grützmann freut sich „auf eine Zusammenarbeit mit den ambulanten Diensten“. Einen eigenen Stadtführer dieses Vereins soll es allerdings mit Senatsgeldern nicht geben. Angela Grützmann denkt an „mehrere kleine Broschüren mit geringem Umfang“, die in Zusammenarbeit mit dem Verein erstellt werden sollen. Mittel für einen eigenen Führer der „Ambulanten Dienste“ seien nie zugesagt gewesen, „nur der Lottoantrag hat da berechtigte Hoffnungen geschürt“, meint Angela Grützmann.

Klaus-Dieter Plomin, der an dem neuen Rollstuhlstadtführer mitgearbeitet hat, ist verärgert: „Beim Beginn der Arbeiten für unseren Stadtführer war nicht abzusehen, daß die Senatsverwaltung doch lieber den eigenen Stadtführer aktualisieren will.“ Man hat sich darauf verlassen, daß der Senat den Rollstuhlführer finanziert. „Zumal der Stadtführer des Senats in weiten Teilen falsch ist, einfach zu ungenau und zu touristisch“, sagt Klaus-Dieter Plomin.

So sind im Behindertenstadtführer des Senats Ärzte und Postämter gar nicht aufgeführt, Einkaufsmöglichkeiten und genaue Maße fehlen fast völlig. Im Stadtführer der Ambulanten Dienste hingegen sind Türbreiten und Stufenhöhen durchgängig verzeichnet. Frühestens im Juli kann der neue Rolli-Stadtführer erscheinen. „Und wenn ihn niemand finanziert, dann müssen wir ihn verkaufen und Werbung reinnehmen“, ärgert sich Plomin. Denn dann müsse man den Umfang des Stadtführers erheblich verringern, um Kosten zu sparen.

Arne Völker

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