: Rollen statt Tragen
IDEE In Afrika wird jeden Tag stundenlang Wasser geschleppt. Oft über Kilometer. Der Hippo-Roller erleichtert den Transport
VON MARCELLE BALT
Vor mehr als zwanzig Jahren träumten ein Ingenieur und ein Chefdesigner von einer Erfindung, die den Menschen auf dem Land eine anstrengende, zeitraubende und doch so notwendige Arbeit erleichtern würde: das Heranschleppen von Wasser aus Flüssen oder öffentlichen Anschlüssen.
Diese Arbeit, oft Frauen- oder Mädchensache, nimmt weltweit jeden Tag etwa 200 Millionen Stunden in Anspruch, eine Zeit, die für andere Aufgaben besser genutzt werden könnte – Kinder könnten zur Schule gehen, zum Beispiel.
Pettie Petzer und Johan Jonker, beide Südafrikaner, wollten dieses Problem mit der Entwicklung eines besseren Wassereimers angehen. Zunächst produzierten sie im Rotationsformverfahren nahtlose und haltbare Wasserfässer. Der Durchbruch gelang ihnen aber erst, als sie am Fass zwei Metallstangen befestigten – nach dem Prinzip einer Schubkarre. Es war nicht mehr nötig, das Wasser zu tragen: Jetzt konnte es gerollt werden.
Das war die Geburt des Hippo-Rollers. Sein Name stammt aus Südafrika, wo die Leute gefragt worden waren, was sie von dem Konstrukt hielten. Sie sagten, es sehe „groß“ und „stark“ aus, „genau wie ein Hippo“ – ein Flusspferd. Das Plastikfass fasst 90 Liter Wasser oder 24 Gallonen, etwa fünfmal so viel wie eine Frau in einem Eimer auf dem Kopf tragen kann. Und es lässt sich auch über unwegsames Gelände leicht ziehen oder schieben.
„Wir waren ehrgeizig“, sagte Petzer. „Wir sahen, wie wichtig unser Projekt für die Wasserversorgung in Afrika sein könnte.“ Sie gewannen Preise für das Design ihres Produkts. Und auch der Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela unterstützt das Projekt.
Auch Männer holen mit dem Hippo-Roller Wasser
Trotzdem konnte sich der Hippo-Roller nicht am Markt durchsetzen. Grant Gibbs, ebenfalls Südafrikaner, der anfangs in geringem Umfang am Verkauf beteiligt war, kündigte 1994 seinen IT-Job und übernahm die Leitung des Projekts in Vollzeit. Von dem zögerlichen Start ließ er sich nicht entmutigen. Er blieb hartnäckig, beflügelt durch die guten Erfahrungen in den Gemeinden, in denen der Hippo-Roller benutzt wurde.
Heute findet man ihn in 21 afrikanischen Ländern. 44.000 Hippo-Roller sind in Gebrauch, kann man auf der Website lesen – für etwa 300.000 Menschen eine Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Eine Studie des „South African Department of Rural Development and Land Reform“ aus dem Jahr 2012 zeigt, dass alle Familien in den ländlichen Gebieten der Eastern-Cape-Province, die den Hippo-Roller benutzen, genügend Wasser für den eigenen Gebrauch haben, fürs Putzen, Kochen und für die Bewässerung der Gärten.
Da das Wasser nun nicht mehr auf traditionelle Weise von Frauen und Mädchen auf dem Kopf getragen wird, holen jetzt auch Männer Wasser. Gibbs, der Leiter des Projektes, hat mit dem Hippo-Roller noch viel vor: Er will die Zahl der Menschen, die keinen direkten Zugang zu Wasser haben, um ein Prozent verringern. Da das nach UN-Schätzungen eine Milliarde Menschen betrifft, müssten pro Monat 10.000 Hippo-Roller verteilt werden. Das „Hippo Water Roller Project“, eine kommerzielle Firma, verkauft im Augenblick 4.000 bis 5.000 Stück pro Jahr.
Der Transport ins Landesinnere ist teuer
Der Hippo-Roller bleibt abhängig von den Spenden, die einlaufen, zu 95 Prozent von gewerblichen Sponsoren. Jeder Roller kostet 129 Dollar – nicht gerade wenig Geld in Afrika. Die Roller werden in Südafrika hergestellt, der Transport in andere Teile des Kontinents, vor allem ins Landesinnere, ist teuer. Bei einer Lieferung auf dem Landweg in ein Dorf im Südsudan verdoppelt sich der Preis.
Trotz dieser Schwierigkeiten hat der Hippo Roller schon vielen Menschen geholfen. In den letzten zwanzig Jahren habe niemand eine Alternative entwickelt, sagte Gibbs.
Aus dem Englischen von Heike Brandt