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Rösler will Arznei-Ausgaben senkenBringschuld der Pharmakonzerne

Dass ein neues Medikament wirksamer ist als bereits vorhandene sollen Pharmaunternehmen künftig durch Studien beweisen, so die Pläne der Koalition.

"Wir werden künftig dafür sorgen, dass die Pharmaunternehmen nicht mehr einseitig und allein die Preise festlegen können", so Rösler. Bild: dpa

Union und FDP haben sich auf einen Plan geeinigt, um die schnell steigenden Kosten für neue Arzneiprodukte zu dämpfen. Pharmaunternehmen sollen künftig Studienergebnisse veröffentlichen, um nachzuweisen, dass ein neues Medikament wirksamer ist als bereits existierende Arzneimittel. Zudem sollen Krankenkassen mit Konzernen über die Preise von neuen Medikamenten direkt verhandeln.

Ein entsprechendes Eckpunktepapier stellte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag in Berlin vor. Zuvor hatte er sich mit den Koalitionsfraktionen darauf geeinigt.

Bisher legen die Konzerne ihre Preise selbst fest. Rösler sieht in seinen Plänen eine "deutliche Neuordnung auf dem deutschen Arzneimittelsektor". "Wir werden künftig dafür sorgen, dass die Pharmaunternehmen nicht mehr einseitig und allein die Preise festlegen können." Zugleich sei sichergestellt, dass die Arzneien bezahlbar blieben und die Patienten auch künftig mit neuen und innovativen Arzneimitteln versorgt werden können. Die Reform soll zum Januar 2011 in Kraft treten. In den kommenden Wochen will das Ministerium dazu auf Basis der Eckpunkte einen Gesetzentwurf erarbeiten.

Anfangs soll sich wenig ändern. Im ersten Jahr der Markteinführung soll es den Firmen möglich bleiben, ihr Produkt zum geforderten Preis zu vermarkten. Erst danach sollen die neuen Kontrollmechanismen greifen. Diese sehen vor, dass Pharmaunternehmen Unterlagen veröffentlichen, die unter anderem den zusätzlichen Nutzen des neuen Medikaments nachweisen sollen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss, das zentrale Entscheidungsgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, werde die Studien prüfen. Zur Seite steht ihm das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Kann der Beweis der Wirksamkeit eines neuen Produkts nicht erbracht werden, werden die Kassen den Versicherten nur einen Festbetrag für das Medikament erstatten.

Die neuen Arzneien zählen zu den Preistreibern im Gesundheitssystem. 2009 stiegen die Ausgaben für Arzneimittel ohne Festbetrag laut Ministerium um 8,9 Prozent. Insgesamt stiegen die Medikamentenausgaben um 5,3 Prozent. Das waren rund 1,5 Milliarden Euro als im Jahr zuvor.

Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der Krankenkassen, Doris Pfeiffer, lobte: "Preisverhandlungen in Verbindung mit einer vernünftigen Nutzenbewertung sind der Schlüssel, um bei neuen Medikamenten überhöhte Preise zu verhindern."

Aus Sicht der SPD gehen die Pläne zu Lasten der Patienten. Der Gesundheitsexperte der Fraktion, Karl Lauterbach, kritisiert: "Bei Generika sollen die Rabattverträge der Krankenkassen mit den Herstellern eingeschränkt werden, um die Hersteller zu schonen." Damit werde eines der wirksamsten Instrumente der Kostenkontrolle im Pharmamarkt "wieder aufgegeben".

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4 Kommentare

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  • WW
    Walter Wasilewski

    Politik und Pharmakonzerne.

    Die Bringschuld liegt sicher nicht bei den Pharmakonzernen.Die Frage lautet:Wie erkläre ich dem Wähler er profitiert von der "neuen" Abmachung?

    Die ungezügelte Preisgestaltung liegt in der Hand der Konzerne. Sie bleibt in deren Hand.

    Herr Dr.Rösler und die FDP sind die letzten die das ändern werden.

    Walter Wasilewski

  • D
    Dominik

    An sich nen interessanter Artikel. Ich hätte mich allerdings gefreut wenn auf diesen Absatz:

    "Kann der Beweis der Wirksamkeit eines neuen Produkts nicht erbracht werden, werden die Kassen den Versicherten nur einen Festbetrag für das Medikament erstatten."

    etwas mehr eingegangen worden wäre.

    Das klingt für mich nämlich so, als würde die Kasse zu Medikamenten fast nichts zuzahlen, die laut irgendwelchen Studien nicht so wirksam sind. Da jeder Mensch anders ist und bei jedem Medikamente anders wirken finde ich das zumindest Hinterfragungswürdig.

     

    Auch finde ich den letzten Absatz ziehmlich abrupt und als Bürger mit normalen Grundkenntniss kommt man da nicht mit (zumindest ging mir das so). Insgesammt würde mich die Meinung und vor allem die Argumente der Opposition interessieren.

     

    MfG

    Dominik

  • VR
    Volker Rockel

    Das ist keine "Neuordnung im Sinne des beitragszahlenden Bürgers" sondern letztendlich wieder ein Kompromiss "zu Lasten des beitragszahlenden Bürgers"!

     

    In der Wertschöpfungskette entstehen weiterhin exorbitante Gewinnmargen bei einzelnen Medikamenten, die weiterhin nicht abgeschöpft werden!

     

    Wenn in Studien die Herstellerabgabepreise für die 150 meistverordnesten Originalpräparate ("branded drugs") in Deutschland beispielweise um bis zu 42% höher liegen als in Großbritannien (Department of Health "The Pharmaceutical Price Regulation Scheme" December 2009), dann ist das Einsparpotential noch längst nicht ausgeschöpft!

     

     

    Insoweit sind z.B. die beabsichtigten 16 % Rabatt und die diskutieretn Mechanismen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, weil die eigentlichen Kostentreiber bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten weiterhin weitestgehend ungeschoren davon kommen!

     

    Dieser Preisstopp ist nicht schmerzhaft für die Pharmaindustrie! Der löst höchstens einen Juckreiz aus.

     

    Und der Beitragszahler wird weiterhin zur Kasse gebeten....

  • C
    claudia

    >>Bringschuld der Pharmakonzerne>Diese sehen vor, dass Pharmaunternehmen Unterlagen veröffentlichen, die unter anderem den zusätzlichen Nutzen des neuen Medikaments nachweisen sollen.>Zur Seite steht ihm das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)>Kann der Beweis der Wirksamkeit eines neuen Produkts nicht erbracht werden, werden die Kassen den Versicherten nur einen Festbetrag für das Medikament erstatten.