GEGEN ALLE KRITIK HÄLT BARROSO AN DESIGNIERTER EU-KOMMISSION FEST : Rocco und seine Glaubensbrüder
Was dieser Mann über Sex denkt, ist nicht wichtig. Privat mag Rocco Buttiglione ja gerne glauben, dass Homosexualität eine Sünde ist und eine berufstätige Frau eine Rabenmutter. Das allein würde ihn noch nicht für den Posten eines EU-Kommissars disqualifizieren. Die Stärke des säkularen Europas beruht ja gerade darauf, Fragen der persönlichen Überzeugungen von denen praktischer Verantwortung zu trennen.
So gesehen könnte Buttiglione also den Job übernehmen, für den EU-Kommissionspräsident Barroso ihn vorgesehen hat – wenn seine Meinungsäußerungen tatsächlich nur individuelle Bekundungen wären. Tatsächlich aber hat sich Buttiglione politisch in solchen Fragen längst hinlänglich profiliert. Der Weggefährte Berlusconis hat in der Vergangenheit behauptet, nichtchristliche Zuwanderer seien krimineller als Christen, jedenfalls als Katholiken. Und im Grundrechtekonvent der EU hat er sich für die Streichung jenes Passus eingesetzt, in dem ein Verbot von Diskriminierungen aufgrund sexueller Orientierung formuliert war.
Das hätte EU-Kommissionspräsident José Barroso vielleicht nicht daran hindern müssen, den italienischen Kandidaten mit der Zuständigkeit für die Schwerindustrie zu beauftragen. Aber Buttiglione soll nun ausgerechnet jenes Ressort erhalten, das mit den wichtigsten Kulturkämpfen innerhalb der westlichen Welt verbunden ist. Für diesen Job aber ist Buttiglione untragbar: Die Abgeordneten des Europaparlaments haben allen Grund, die designierte EU-Kommission darum in ihrer morgigen Abstimmung durchfallen zu lassen.
Das ist keine Diskriminierung eines gläubigen Katholiken, wie konservative Stimmen meinen. Sondern lediglich die Ablehnung eines katholischen Fundamentalismus, der sich am Mittelalter orientiert. Und darum geht Gerhard Schröders Mahnung, Buttigliones Recht auf freie Meinungsäußerung zu tolerieren, auch fehl: Eine konträre Meinung auszuhalten, ist das eine. Etwas anderes ist es aber, einen vatikanischen Eiferer ertragen zu müssen, der für die europäische Vielfalt an Lebensformen eben nicht steht. JAN FEDDERSEN