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Archiv-Artikel

Risikokapitalisten

Springer plant jetzt den Einstieg ins Pay-TV. Ökonomen bewerten die Übernahme von ProSiebenSat.1 derweil sehr unterschiedlich

„Der klassische Fall, wo die Medienpolitik kein vernünftiges Instrument hat“

von STEFFEN GRIMBERG

Presse und Free-TV reichen noch nicht: Axel Springer und die demnächst vollständig zum Konzern gehörende ProSiebenSat.1-Senderfamilie wollen auch ins Pay-TV-Geschäft einsteigen.

Gleich für vier Abo-Fernseh-Kanäle hat die ProSiebenSat.1-Tochter Seven Senses bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg Lizenzen beantragt. Geplant sind ein Comedy-Kanal, ein Lifestyle-Programm sowie zwei Spielfilmkanäle, heißt es auf der Homepage der ebenfalls zuständigen Kommission zur Ermittlung des Konzentrationsgrades der Medien, die die Anträge unter der laufenden Nummer 291 bearbeitet.

Damit geht der Ausbau des Unternehmensverbundes, dem die Kartell- und Medienbehörden noch zustimmen müssen, zum voll integrierten Medien-Großkonzern planmäßig weiter.

Skeptiker warnen indes vor den Risiken dieser Strategie: Bis zu 4,1 Milliarden Euro zahlt Springer für die vollständige Übernahme der Fernsehfamilie, das meiste davon ist über Kredite finanziert. Die Entwicklung der Werbeeinnahmen im TV-Bereich wird nun zum entscheidenden Faktor, und hier bietet 2005 branchenweit bisher ein eher trauriges Bild: Die zum Jahresende 2004 zu verzeichnende leichte Erholung des noch immer darbenden Geschäfts mit den Werbespots brach in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wieder ein.

Und noch etwas bereitet den Ökonomen Bauchschmerzen: Im Handelsblatt fürchtete der Bilanzexperte Karl-Heinz Küting um den Cash-Flow bei Springer, in der Süddeutschen und FTD monierten Analysten, Springer-Chef Mathias Döpfner halte sich zu sehr mit Aussagen über die zu erzielenden Synergieeffekte zurück.

In der Tat hält Döpfner hier den Ball extrem flach: Höchstens bei den „künftig gemeinsam aufgestellten zentralen Dienstleistungen“ wie der Buchhaltung ließe sich hier etwas machen, sagte er am Freitag bei der Bekanntgabe des Milliardendeals. Doch auch das ist Taktik, sagt der Medienökonom Jürgen Heinrich vom Institut für Journalistik der Universität Dortmund: Schließlich würde Springer durch die Ankündigung gemeinsamer Strategien für die Print-Produkte und TV-Sender des neuen Konzerns den Kritikern des Zusammenschlusses Munition liefern.

Heinrich beurteilt die „Verbundlösung“ aus Print- und TV-Konzern „unternehmensstrategisch eher als positiv“. Springer wäre als extrem auf das Deutschland-Geschäft angewiesener reiner Print-Konzern sonst selbst zum Übernahmekandidaten geworden, so Heinrich zur taz.

Doch auch wenn die Fusion aus ökonomischer Sicht Sinn mache, seien die Auswirkungen für die deutsche Medienlandschaft negativ: „Dies ist der klassische Fall, wo die deutsche Medienpolitik kein vernünftiges Instrument hat.“

Durch Konzentration von Tageszeitungen, Zeitschriften und TV-Kanälen in einer Hand entstehe hier „publizistisch schon ein marktbeherrschender Konzern“. Da das Kartellamt aber stets zwischen getrennten Märkten für Print-Produkte und elektronischen Medien unterscheide, sind hier laut Heinrich keine wesentlichen Einschränkungen zu erwarten. „Das ist eine Gesetzeslücke – ich halte das für ziemlich problematisch, auch als Ökonom.“