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Rio Reiser umgebettetDas war unser Haus

Das Haus Rio Reisers in Fresenhagen, in dem der Sänger und seine Ton Steine Scherben - Bandkollegen gelebt haben, ist verkauft. Der tote Rio bekommt ein neues Grab.

Fresenhagen im Schnee: 1975 für 50.000 Mark gekauft, konnten die Reiser-Erben ihn jetzt nicht mehr finanzieren. Bild: dpa

Das Rio Reiser Haus im schleswig-holsteinischen Fresenhagen ist verkauft, die Rio-Reiser-Erinnerungsstücke werden in diesen Tagen nach Berlin geschafft, und das Grab von Reiser wird umgebettet von dem Garten in Fresenhagen auf den Alten Sankt-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Damit endet die Geschichte eines Hauses, das für manche Fans ein Wallfahrtsort der deutschen Geschichte nach 1968 war. Verkauft worden ist das Haus, weil Rio Reisers Erben den Unterhalt nicht mehr aufbringen können. "Wir können es einfach selber nicht mehr finanzieren", sagt Gert Möbius, der Bruder von Rio Reiser.

Reiser hatte den Friesenhof 1975 mit seiner Band Ton Steine Scherben für 50.000 Mark gekauft und als Rückzugsort vom Leben in Westberlin genutzt. Neben den Bandkollegen lebte dort auch zeitweise die damalige Managerin von Ton Steine Scherben, die heutige Bundesvorsitzende der Grünen Claudia Roth. 1996 wurde Reiser im Garten des Hauses beerdigt. Die Sondergenehmigung dafür erteilte Schleswig-Holsteins damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis.

Seitdem hatte Gert Möbius versucht, das Haus im Gedenken an seinen Bruder aufrechtzuerhalten. Er richtete ein Museum ein, veranstaltete Konzerte und versuchte, durch Vermietungen Geld einzuspielen. Gereicht hat es aber nie. "Es ist schwer, sich in Nordfriesland einzubringen. Weil die Leute da kulturell nicht so interessiert sind."

Für das Publikum aus den Städten allerdings ist der Ort im Nordwesten Schleswig-Holsteins kaum zu erreichen, eine Anreise ohne Auto ist fast unmöglich. Also versuchte Möbius, Geld beim Land einzuwerben - scheiterte aber auch damit.

Gekauft hat das Haus nun die Pädagogin Jalena Rindfleisch, die dort eine Einrichtung der Jugendhilfe etablieren will. "Wir wollen etwas ganz Neues machen, einen Schlussstrich ziehen", sagte sie dem Flensburger Tageblatt. Über die Entscheidung, Reiser nach Berlin umzubetten, besteht Konsens. Rindfleisch möchte die Jugendlichen vor wallfahrenden Fans schützen. Und Möbius sagte schon 2010: "Bei einem Verkauf müsste ich Rio umbetten. Rio ist Berliner."

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10 Kommentare

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  • D
    Dela

    ich habe jeden Moment in Fresenhagen genossen, es war toll. Magie, Frieden, Musik, Tanzen, Wind, Katzen, Freunde, Partys. Nichts bleibt wie es ist und nicht wird wie es war. Rio im Herzen, das reicht für ein Leben. Cordelia

  • H
    heidi

    Soweit mir bekannt ist, äußerste rio zu Lebzeiten den Wunsch auf dem Père Lachaise in Paris beerdigt zu werden.

  • NR
    Ned Rise

    Wieder eine Chance vor die Wand gefahren. Für jeden Mumpitz werden in diesem Land Millionen - neuerdings sinds ja immer direkt Milliarden - aus dem Fenster geworfen, kein Wunder, dass es den Verantwortlichen bei solchen "Peanuts" dann an Fingerspitzengefühl fehlt. Und dann wird auch noch alles ins aufgeblasene Berlin gekarrt. Armes Deutschland.

  • H
    Heiko

    Es ist einfach nur Traurig, das es soweit kommen musste.

    Es gab genug gute Vorschläge für den Erhalt von Fresenhagen, doch keiner der Möbius Familie hat Intresse daran gezeigt.

    Wahrscheinlich sind die Absichten hinter dem Verkauf ganz andere....

    Ich finde es wiederlich, wie mit dem Erbe umgegangen wurden ist und noch viel schrecklicher finde ich, das Rio nicht in Frieden ruhen kann.

    Es war ein wunderschöner Ort, der erhalten hätte werden müssen.

    Der Traum ist aus...

  • J
    jens

    Diese brüder kann ich nicht verstehen. Erst vertreiben sie Rios Freunde und Weggefährten aus Fresenhagen und geben den Scherben dort Hausverbot. Dann zahlen sie die ausstehenden Lizenzen nicht an die Scherben aus und wundern sich, dass die dann irgendwann ihr Geld eintreiben. Dann zeigen sie sich absolut beratungsresistent gegenüber allen Konzepten für das Haus und stürzen das Haus mit der eigenen Unfähigkeit ins Chaos. Und bei allem präsentieren sie sich vor aller Welt als Opfer der Umstände und der bösen Umwelt. Wenn dann sind sie allein Opfer der eigenen Eitelkeit und des eigenen Unvermögens. Rios Erben wurden sie nur, weil kein Testament gefunden wurde und nicht, weil Rio es so gewollt hat. Wissen können sie nicht viel von Rio sonst hätten sie es nie so weit kommen lassen, Fresenhagen so seelenlos zu verkaufen.

  • S
    Sanne

    In der Hoffnung den einen oder anderem Bruder M. noch zu erwischen war ich heute noch einmal in Fresenhagen. Leider war mein Weg vergebens!

    Seit 6 Wochen wohne ich in Leck und habe mich hier schnell eingelebt! Anfänglich hatte ich nur Augen für Fresenhagen; mittlerweile aber auch in Land und Leute verliebt!

    Diese Region ist vollständig durchzogen von Heil- und Sonderpädagogischen Einrichtungen. Genug freie Immobilien stehen solchen Einrichtungen auch zur Verfügung.

    Ich fände es eine Schande, wenn eine so wichtige Kulturstätte wie Fresenhagen so zweckentfremdet wird!

    Leider sind in letzten 15 Jahren viele und nicht mehr rückgängige Fehler gemacht worden.

    Ich kann verstehen, dass die Brüder unter den gegebenen Umständen nicht mehr länger bereit sind dieses schwierige Erbe aufrecht zuhalten!

    Gerne hätte ich mich noch einmal mit denen unterhalten, vielleicht gibt es ja noch einen dritten Weg?!

  • G
    grober_Unfug

    shame on you, schleswig-holstein! erst großzügig die genehmigung erteilen, dass rio's gebeine im garten begraben werden dürfen und dann nicht b sagen, wenn's drauf ankommt. stattdessen geht ein seltenes kleinod als treffpunkt deutschsprachiger popkultur unwiederbringlich verloren und rio's reste müssen wieder ausgebuddelt werden. wie abartig ist das denn?

  • VH
    von Hartmut

    Wirklich schade. Neben dem Emil Nolde Museum der einzig besuchenswerte Ort in Nordfriesland. Dieser Kreis und das Land Schleswig-Holstein haben es versäumt diesen besonders Ort als Kulturzentrum zu erhalten.

  • L
    Larissa

    Wirklich schade.

    Soweit ich weiß haben dort Bands wie Kettcar Songs für ihre neuen Alben geschrieben und geprobt. Diese Bands werden wohl an andere, nicht so inspirierende Orte umziehen müssen.

  • K
    Kopp

    Für den letzten König von Deutschland gibt es nur einen Ort: Den Berliner Dom, direkt neben dem künftigen Schloß.