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Archiv-Artikel

fußpflege unter der grasnarbe Rinderzüchten in Katar

In Brasilien, der Heimat von Ailton, scheint das ganze Jahr über die Sonne. In Katar auch. In Deutschland nicht. Daher passte die Aufsehen erregende Offerte aus dem Wüstenstaat Bremens Torjäger perfekt ins winterliche Konzept: allein der Gedanke, dem nasskalten Klima in Deutschland für einige Zeit entfliehen zu können – und das außerhalb des obligatorischen Heimaturlaubs in der spielfreien Zeit – lies sein Herz höher schlagen. So kam es, dass Ailton sämtliche Einwände seitens seines künftigen Arbeitgebers Rudi Assauer einfach beiseite schlug und sich in den Flieger Richtung Katar setzte, bereit, mit den Scheichs einen Vertrag auszuhandeln. Was aber, fragt sich der überraschte Fußballfan, reizt denn den Brasilianer nun wirklich an Katar? Abgesehen von wenigen Grad Celsius mehr und den paar Millionen Euro Entlohnung. Das sind doch Peanuts. Das kann nicht alles sein. Was hat Katar für Ailton zu bieten? Unter sportlichen Aspekten fällt die Antwort leicht: nichts. Ailton ist aber nicht nur Fußballer, sondern auch Cowboy aus Leidenschaft. Er liebt das Rodeo und besitzt in Brasilien eine riesige Vieh-farm. Im Fragebogen auf der Werder Bremen-Homepage gibt er als Traumberuf Rancher an. Allerdings ist Katar bis dato eher weniger durch eine ausgeprägte Rodeo-Szene aufgefallen. Die Wirtschaft des Landes wird von Gas- und Ölexporten bestimmt - für Ailton, den Unternehmer, uninteressant. Seine Rinderzucht ist in Brasilien besser aufgehoben. Sollten es also doch nur finanzielle Aspekte sein, die ihn nach Katar locken?

Entsprechend negativ ist das Echo in der Öffentlichkeit: zahlreiche Funktionäre verurteilten die Absichten Ailtons. SogarTeamchef Rudi Völler meldete sich zu Wort. Vor lauter protestieren vergaßen die Herren wohl, dass sich die Bundesrepublik mit der Einbürgerung solcher Ur-Deutschen wie z.B. Paolo Rink auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Ungemach droht inzwischen auch von der Fifa: spontan entschloss sich das Dringlichkeitskomitee zu einem Treffen mit Sepp Blatter am kommenden Dienstag, um dem Wechsel den Riegel vorzuschieben. Ailton lässt das kalt: „Ist mir scheißegal, was die machen. Ich bin der Star.“

Der Plan der Verantwortlichen aus Katar scheint unterdessen zügig voranzugehen: Neben Ailton sollen auch die für Borussia Dortmund spielenden Brüder Dede und Leandro künftig für den Wüstenstaat auf Torejagd gehen. Die Ressourcen, aus denen sie schöpfen können, sind groß: zahlreiche brasilianische Fußballer, die nicht gut genug sind, für ihre eigentliche Nationalmannschaft, im internationalen Vergleich aber immer noch hervorragen, könnten noch verpflichtet werden. Vielleicht sehen wir bei der WM 2006 eine Begegnung Brasilien I gegen Brasilien II, ehemals Katar. Möglich scheint alles - solange das Geld fließt. Vielleicht entschließt sich kurzerhand auch der ein oder andere russische Miliadär, ebenfalls eine schlagkräftige Nationalmannschaft aufzubauen und mit ihr als Hobby die (Fußball-)Welt zu erobern. Plötzlich würden die Faröer Inseln zum ernsthaften Gegner etablierter Nationalmannschaften.

Experten schreien angesichts solcher Schreckensszenarien auf, sprechen von Werteverfall und Wettberwerbsverzerrung. Niemand kann ihnen das ernsthaft verübeln. Und Ailton? Der wird sich in einigen Jahren entspannt auf einer Farm in Brasilien zurücklehnen, und seinen Enkelkindern, denen er eine sorglose Zukunft gesichert hat, die Geschichte erzählen, wie er Katar zur WM schoß. Und irgendwie kann man ihm dafür nicht böse sein.