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Riesenhuber schiebt mit im Rennen um Halbleitermarkt

■ Der Forschungsminister präsentierte jetzt Labormuster des neuen 4–Megabit–Chip / Bundesdeutsche Industrie noch von Japan und USA abgehängt

Von Uli Schnabel

Sein oder Nicht–Sein - das ist auch in der Mikroelektronik die Frage. Wem gelingt es, die meisten solcher Ja/Nein–Informationseinheiten (Bits genannt) auf engstem Raum zu speichern und mit einer neuen Chip–Generation den Markt zu erobern? Amerikaner, Japaner und die Europäer wetteifern um den 4–Megabit–Chip, ein kleines Silicium–Plättchen, das vier Millionen Bits auf weniger als einem Quadratzentimeter speichern kann. Drei japanische Firmen und der Computergigant IBM liegen vorne. Jetzt aber schließen die Europäer auf: Stolz präsentierte Bundesforschungsminister Riesenhuber vorige Woche das erste Labormuster eines deutschen 4–Megabit–Speichers. Der winzige Chip ist das Ergebnis eines deutsch–holländischen „Megaprojektes“, das den Vorsprung der Japaner aufholen soll, die schon seit 1983 an 4–Megabit arbeiten. Vor zwei Jahren hatten die Firmen Philips und Siemens das Rennen aufgenommen, unterstützt von der niederländischen Regierung mit 160 Millionen und vom Bonner Forschungsministerium mit 320 Millionen Mark. Immer höhere Speicherkapazitäten sind für die Computerbranche deshalb so interessant, da der Platzbedarf für das Aufbewahren von Daten das größte Hindernis für die Verkleinerung der Recheneinheiten darstellt. Riesenhuber sieht daher in den kleinen Chips eine „Schlüsseltechnologie für verschiedene Bereiche“. Da dürfe Europa nicht von den USA und Japan abhängig werden, sondern müsse mit den Konkurrenten gleichziehen. Wer zu spät auf den Markt kommt, kann schließlich nur noch am allgemeinen Preisverfall teilnehmen. Die Sorge um die einheimische Industrie drängte den Forschungsminister deshalb zur staatlichen Förderung. Seine Rechtfertigung: Allein die japanische Fernmeldegesellschaft gäbe für Entwicklungen in der Mikroelektronik soviel aus wie die Bundesrepublik insgesamt. Die japanische Vormachtstellung, die selbst den Amerikanern den Rang abläuft, wurde auf der größten Mikroelektronik–Tagung der Experten, der ISSCC–Konferenz im Februar, auch schlagend unter Beweis gestellt. Die NTT (Nippon Telegraph + Telephon Corp.) glänzte mit einem Prototyp des ersten 16–Megabit–Chip der Welt. Da konnte nur noch „Big Blue“ IBM mithalten, die inzwischen den 4–Megabit–Chip auf Serienanlagen zur Fertigung des 1–Megabit–Chips produzieren kann. Für Ingolf Ruge, der im Minister–Auftrag die internationale Entwicklung beobachtet, ist das kein Grund zur Beunruhigung. Das deutsche Speicherplättchen liege gut im Rennen. Was da auf der ISSCC–Tagung vorgestellt würde, entspräche oft überhaupt nicht dem späteren produktionsreifen Angebot. Und der IBM– Chip sei wohl für hausinterne Systeme gemacht. Denn Größe und Versorgungsspannung des Halbleiterspeichers entsprächen nicht den internationalen technischen Standards. Das Rennen um den 4–Megabit– Chip wird wohl erst nächstes Jahr entschieden - dann nämlich wollen die Japaner serienreife Produkte vorstellen. Das deutsch– niederländische Projekt peilt dieses Ziel für Ende 1988 an. Die nächste Runde dürfte dann schon eingeläutet sein. Die Erfahrung zeige, sagt Ruge, daß alle zwei bis drei Jahre eine neue Chip–Generation kommt.

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