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Richterin vor Gericht

■ Vorwurf: Keine Fahrverbote ausgesprochen

Der Amtsrichterin Edda Frerker wird selbst der Prozeß gemacht. Die 56jährige muß sich seit gestern vor dem Verdener Landgericht für Rechtsbeugung in 20 Fällen verantworten. Die Richterin am Amtsgericht Syke hatte mehrere Verkehrssünder, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit um bis zu 100 Prozent überschritten hatten, zwar zu Bußgeldzahlungen verurteilt, ihnen aber kein Fahrverbot auferlegt. Dies jedoch sieht die Bußgeldverordnung aus dem Jahre 1989 als Regel bei derart beträchtlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen vor.

Ein Teil der Frerker-Urteile war auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom Oberlandesgericht Celle aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden. Die 56jährige hatte daraufhin ihre Urteile korrigiert, aber weiterhin kein Fahrverbot verhängt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß die Syker Richterin die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes hätte beachten müssen. Der hatte in einer Entscheidung von 1991 die Bußgeldverordnung für verfassungsgemäß gehalten. Die Angeklagte hält jedoch die Anordnung des Gesetzgebers, unabhängig von weiteren Umständen ein Fahrverbot zu verhängen, für verfassungswidrig. Richter würden durch die Verordnung „in einer Art und Weise gebunden“, die sie nicht mehr als unabhängiges Organ der Rechtspflege erscheinen lasse. Damit würden die Richter dazu angehalten, „wie Automaten zu urteilen“, sagte die Angeklagte. Sollte sie verurteilt werden, droht ihr eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. dpa

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