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Archiv-Artikel

Richterin: Auch Mörder haben Rechte

SICHERUNGSVERWAHRUNG Frühere deutsche Europa-Richterin Jaeger verlangt die Freilassung aller rechtswidrig Inhaftierten. Bundesverfassungsgericht berät ab heute über Klagen

FREIBURG taz | Deutschland muss endlich die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Sicherungsverwahrung umzusetzen. Das fordert Renate Jaeger, die bis zum Jahreswechsel deutsche Richterin an diesem Gericht war, im taz-Interview. „Deutschland ist verpflichtet, die Menschenrechtskonvention so anzuwenden, wie sie der Straßburger Gerichtshof auslegt“, sagte Jaeger. „Wer konventionswidrig inhaftiert ist, muss entlassen werden, auch wenn es für den jeweiligen Einzelfall noch kein Urteil aus Straßburg gibt“, ergänzte Jaeger.

Ab heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Klagen mehrerer Männer, die nach der Straßburger Rechtsprechung freikommen müssten, aber immer noch in Sicherungsverwahrung sitzen. Zwei der Kläger, unter anderem wegen Vergewaltigung verurteilt, berufen sich auf das Verbot rückwirkender Strafgesetze. Sie waren zusätzlich zu einer Haftstrafe zu maximal zehn Jahren Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Diese Frist wurde aber 1998 abgeschafft. Bei zwei anderen Klägern, einem Mörder und einem Vergewaltiger, war die Sicherungsverwahrung erst nachträglich angeordnet worden. Insgesamt geht es um über 100 Straftäter, die aufgrund eines Urteils des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte entlassen werden müssten.

Jaeger hofft, dass das Bundesverfassungsgericht die Freilassung anordnet. „Es ist immer besser, wenn Justiz und Politik vor Ort eine Lösung finden, als wenn Europa von außen Druck machen muss.“ Sollte das Verfassungsgericht eine Entlassung verhindern, dann müsste Deutschland nach Jaegers Überzeugung aus der Europäischen Menschenrechtskonvention aussteigen.

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