Richter im Mordprozess Marwa S.: "Ich dachte, es sind Fäuste"
Im Mordprozess Marwa El Sherbini erzählt der Richter, wie er die Bluttat erlebte. Ägyptische Medien berichten relativ wohlwollend über den Prozessauftakt.
Alex W., der Angeklagte in dem Mordprozess Marwa El Sherbini, ist in der verhängnisvollen Revisionsverhandlung auch auf den Richter losgegangen. "Er hat in meine Richtung gestochen, und ich dachte, jetzt ist es vorbei", sagte Tom Maciejewski in einer bewegenden Zeugenaussage am Dienstagvormittag vor dem Dresdner Landgericht.
Der 28-jährige Spätaussiedler Alex W. ist des Mordes, des versuchten Mordes und der gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Bei einer Revisionsverhandlung in einem Beleidigungsprozess griff er El Sherbini und ihren Ehemann an und verletzte beide schwer. El Sherbini starb noch am Tatort. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass W. aus Hass auf Muslime gehandelt hat.
Maciejewski schilderte am zweiten Verhandlungstag, wie W. auf El Sherbini losging. "Ich dachte, es sind Fäuste", sagte er. Er selbst sei auf Alex W. zugerannt. "Ich wollte die Frau in Sicherheit bringen." Als W. sich umwandte, habe er das Messer gesehen, sei zurück zur Richterbank gelaufen und habe den Alarmknopf gedrückt. Dann sei er wieder zu W. gerannt und habe nach ihm gegriffen. W. sei auf ihn losgegangen. In dem Handgemenge sei die Tür aufgesprungen, er habe auf dem Flur nach einem Notarzt gerufen und geschrien, die Leute sollten sich in Sicherheit bringen. "Ich dachte, der sticht sich jetzt den Weg nach draußen frei."
Der Richter war nach eigenen Angaben komplett überrascht von W.s Aggressivität. Er habe ihn zuvor als freundlich und nicht unsympathisch erlebt. "Er war sachlich, ich hatte den Eindruck, man kann mit ihm reden." Hätte er nach Studium der Akten einen anderen Eindruck gehabt, hätte er Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Auch die von W. geäußerten rassistischen Aussagen über Muslime schätzte Maciejewski nicht als gefestigt ein. Der 46-Jährige ist seit der Tat krankgeschrieben. El Sherbinis Ehemann hat Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung gegen ihn gestellt.
Was Maciejewski nach eigenen Angaben nicht gesehen hat, ist, wie ein Bundespolizist, der im Nebensaal als Zeuge wartete, in den Saal kam und irrtümlich auf El Sherbinis Ehemann Okaz schoss und ihn schwer verletzte. Der Bundespolizist ist als Zeuge geladen, wird aber nicht aussagen. Weil gegen ihn ermittelt wird, kann er die Aussage verweigern. Aus Okaz' Angaben vor Gericht und einem polizeilichen Gutachten geht hervor, dass Okaz im Zuge der Auseinandersetzung nach dem Messer griff. Das könnte erklären, warum der Bundespolizist nicht wusste, wer Täter und wer Opfer war. Zu den laufenden Ermittlungen gegen den Polizisten gibt die Staatsanwaltschaft keine Auskunft.
Die ägyptischen Medien haben den Auftakt des Dresdner Prozesses am Montag relativ positiv aufgenommen. Auffällig ist, dass der Prozessauftakt in keiner ägyptischen Zeitung kommentiert, sondern darüber sachlich berichtet wird. Dabei gibt man sich durchaus zufrieden mit dem bisherigen Verlauf.
Zwei Punkte heben die Zeitungen immer hervor: dass der Angeklagte Alex W. nicht kooperiert und vermummt im Gerichtsaal erschienen ist und dafür mit einer Geldstrafe belegt wurde. Und es wird darüber geschrieben, dass der Befangenheitsantrag der Verteidigung von Axel W. gegen das Gericht abgelehnt wurde, wie es beispielsweise die unabhängige Tageszeitung Al-Masri Al-Youm hervorhebt.
Zitiert wird mehrmals die vorsitzende Richterin Birgit Wiegand, wonach es sich trotz des internationalen Medieninteresses um kein politisches Verfahren handle, und dass alle Beteiligten dem Rechnung tragen sollten. Auch die Ausländerbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer, kommt zu Wort, die zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen, aber auch ihre Anteilnahme für Marwas Familie ausgedrückt hat. Gerade die staatlichen Zeitungen wie die Al-Ahram stellen die Aussagen des ägyptischen Botschafters in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, in den Vordergrund, dass er einen fairen Prozess erwarte und großes Vertrauen in die deutsche Justiz habe.
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