Revolutionäre Verkehrsplanung: Bahn frei auf der Friedrichstraße
Die BVG hat nach dem Streik massiv an Kunden Nun soll die U6 zwischen Oranienburger Tor und Kochstraße stillgelegt werden, die Friedrichstraße wird zur Fußgängermeile.
![](https://taz.de/picture/394871/14/friedrichstrasse.jpg)
Egal ob bei der BVG ab heute wieder gestreikt wird oder nicht - ein Verlierer steht schon fest: die BVG. "Weil die Berliner gezeigt haben, dass es auch ohne U-Bahn geht, haben wir mal durchgerechnet, was das für uns heißt", sagt Ural Kalender, oberster Verkehrsplaner in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Das Ergebnis, das der taz in Auszügen vorliegt, ist brisant. Namentlich für den Verkehr in der Friedrichstraße.
Vor allem auf der Linie U6 ist die Zahl der beförderten BVG-Kunden seit dem Ende des Streiks eingebrochen. Das bestätigt Petra Reetz, die Sprecherin der BVG. "Wir haben Fahrgastzahlen, die nur etwa die Hälfte des Aufkommens vor dem Streik ausmachen." Ein finanziell tragfähiger Linienbetrieb sei so nicht mehr möglich.
Für die Verkehrsverwaltung, die den BVG-Verkehr bestellt und auch bezahlt, gab es zwei Möglichkeiten, wie Ural Kalender der taz bestätigt: "Entweder wir dünnen den Verkehr aus, oder wir verzichten ganz auf die betreffende Teilstrecke der U6."
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hat sich offenbar für den Verzicht entschieden. Und für einen radikalen Umbau der Friedrichstraße. Wie dem Papier aus ihrer Verwaltung, das demnächst ins Parlament geht, zu entnehmen ist, soll bereits mit dem Beginn der Sommerferien der U-Bahn-Verkehr zwischen Oranienburger Tor und Kochstraße eingestellt werden. Die U-Bahn-Züge verkehren dann nur noch zwischen Oranienburger Tor und Alt-Tegel sowie zwischen Kochstraße und Alt-Tempelhof.
Doch das ist noch nicht alles. Auch die Pläne, den Autoverkehr aus der Friedrichstraße zu verbannen, haben die Verkehrsplaner wieder ausgegraben. So soll ein Teil des Verkehrs auf den ohnehin wenig befahrenen Tiergartentunnel umgeleitet werden. "Darüber hinaus wollen wir dafür werben, das Fahrrad zu nutzen", sagt Junge-Reyer. Nach den positiven Erfahrungen mit Berlins erster Radstraße in der Linienstraße soll geprüft werden, ob ein ähnliches Konzept auch in der Friedrichstraße übernommen werden kann.
Kaum hat die Opposition von der taz von den Plänen erfahren, hagelt es auch schon die ersten Proteste. "Berlin hat den ersten Streik gut verkraftet, aber nur für eine begrenzte Zeit", schimpft der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann. "Die U6 stillzulegen ist die denkbar schlechteste Konsequenz aus dem Arbeitskampf bei der BVG."
Aber es gibt auch positive Reaktionen. Die Sprecherin von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), Kristina Tschenett, rechnet vor, dass die BVG mit Hilfe der Stilllegung "in fünf Jahren entschuldet werden kann". Voraussetzung dafür sei aber, dass das betroffene Fahrpersonal "freigesetzt werden" kann.
Die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling hat auch schon eine - wenn auch leicht utopisch klingende - Idee, wie Ersatzjobs geschaffen werden könnten: "Wenn unter der Friedrichstraße keine U-Bahn mehr fährt, kann man auch den Tunneldeckel abnehmen und in der Fahrbahnmitte einen Kanal entstehen lassen." Vorbild dafür sei der Canal St. Martin in Paris oder der neue Stadtkanal in Potsdam, meint Hämmerling, die damit ausdrücklich ihrem Parteifreund Ratzmann widerspricht.
Auf mittlere Sicht könnte die U6 nicht die einzige Linie sein, auf die sich der bislang erfolglose Streik bei der BVG negativ auswirken könnte.
Denn laut dem Papier aus der Verkehrsverwaltung nutzen auch deutlich weniger Person die vorher stark frequentierte Linie U2. Vielleicht wird auf der Hochbahntrasse ja bald ein begehbarer Touristenpfad. Auch dafür gibt es ein Pariser Vorbild: die Promenade plantée und der Viaduc des Arts auf einer stillgelegten Bahntrasse im angesagten Bastille-Viertel.
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