Revolution ohne Randale: 1. Mai wird wieder politisch
Dieses Jahr könnte der 1. Mai recht entspannt werden: Statt mit Gewaltritualen beschäftigen sich die Demonstranten mit Kritik an Mediaspree und Gentrifizierung. Die Polizei glaubt nicht an Krawalle.
Erstmals seit Jahren darf in der Walpurgisnacht im Mauerpark wieder ein Maifeuer brennen. Der Freundeskreis Mauerpark entzündet um 21 Uhr zwei Feuer auf dem Rondell. Abgesagt wurde dagegen das traditionelle Konzert auf dem Boxhagener Platz. Der 1. Mai startet dann mit der großen Kundgebung der Gewerkschaften um 11.30 Uhr vor dem Brandenburger Tor. Die Demo des maoistischen 1.-Mai-Bündnisses fängt um 13 Uhr am Oranienplatz an und führt zum Hermannplatz. Die Mayday-Parade beginnt um 14 Uhr am Boxhagener Platz und zieht zum Spreewaldplatz. Die "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" startet um 18 Uhr am Kottbusser Tor und verläuft wieder mitten durch das Myfest (ab 14 Uhr zwischen Mariannenplatz und Oranienplatz).
Es wird schon Absicht gewesen sein, dass McDonalds seine erste Filiale in Kreuzberg nicht direkt an der Skalitzerstraße gebaut hat, sondern ein paar Meter nach hinten versetzt. Auch der Zaun um das Gelände herum dient wohl nicht nur der Zier, sondern soll auch potenzielle Benutzer von Wurfgeschossen fernhalten. Nun steht der im September 2007 eröffnete gläserne Kasten vor seiner ersten Bewährungsprobe. Die Organisatoren der abendlichen Revolutionären-1.-Mai-Demonstration haben angekündigt, dass sie vor dem McDonalds eine Zwischenkundgebung abhalten werden.
Die Filiale der US-amerikanischen Fastfoodkette sei ein "weiteres Projekt der Umstrukturierung im Kiez" und trage dazu bei, dass arme Bevölkerungsschichten verdrängt werden, sagte Jonas Schliesser, ein Organisator des Revolutionären-1.-Mai-Bündnisses. Die Veranstalter haben ihren Protest unter das Motto "Zusammen gegen Kapital und Krieg" gestellt, wollen aber vor allem gegen Verdrängungsprozesse im Zuge des Stadtumbaus durch das Projekt "Mediaspree" demonstrieren. Ihre Demonstration soll um 18 Uhr am Kottbusser Tor beginnen und unter anderem durch das zeitgleich stattfindende Myfest ziehen.
Umstrukturierung, Gentrifizierung und soziale Ausgrenzung sind die Schlagwörter des diesjährigen 1. Mai. Lange Zeit haben nur die sinnentleerten Gewaltrituale die Debatten rund um den "Tag der Arbeit" dominiert; doch bereits im vergangenen Jahr war zu spüren, dass die politischen Forderungen der Demonstranten wieder mehr in den Vordergrund rücken.
Dabei scheint die radikale Umgestaltung auf beiden Seiten des Spreeufers zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke zu Mediaspree und damit einhergehend der befürchtete Bevölkerungsaustausch die linken Gruppen momentan besonders zu beschäftigen. "In Friedrichshain und Kreuzberg leben viele Menschen, die von dem Abbau sozialer Rechte in den letzten Jahren besonders betroffen sind", sagt auch Mayday-Sprecher Philipp Stein.
Die Mayday-Parade ist neben der Revolutionären-1.-Mai-Demo die zweite große Demonstration an diesem Tag in Kreuzberg; sie findet in diesem Jahr zum dritten Mal statt. "be.Streik.Berlin - organisiert das schöne Leben", lautet das Mayday-Motto. Die Zielgruppe: Genau jenes Publikum, das zur Gentrifizierung durchaus mit beiträgt: StudentInnen, KünstlerInnen, Freiberufliche und PraktikantInnen. "Auch Selbstausbeutung ist selten freiwillig", so Stein. Die Mayday-Parade richte sich "gegen miserable Arbeitsverhältnisse und Prekarisierung". Mit thematischen Wagen wollen die AktivistInnen zeigen, "dass Widerstand gegen antisoziale Politik bunt, offen und kreativ sein könne", erklärt der Mayday-Sprecher. Die Parade beginnt um 14 Uhr und soll vom Boxhagener Platz in Friedrichshain über die Oberbaumbrücke bis zum Spreewaldplatz nach Kreuzberg führen.
Doch so groß der Zorn der wachsenden Zahl an Mediaspree-Gegnern zu sein scheint: Die Polizei rechnet nicht damit, dass am 1. Mai von den politischen Demonstrationen Randale ausgehen wird. Die hat es allerdings auch in den vergangenen Jahren nicht mehr gegeben. Und auch sonst gebe es bislang keine Hinweise auf organisierte Krawalle, teilten die Ordnungshüter mit. Allenfalls, so die Gefahrenprognose, könnte es voraussichtlich zu vereinzelten Gewalttätigkeiten von besoffenen Feiernden nach Einbruch der Dunkelheit kommen.
Bei McDonalds hat man aber offensichtlich doch Muffensausen. Der Sprecher des Fastfoodkonzerns war jedenfalls nicht bereit, der taz Auskunft zu erteilen, ob die Filiale in Kreuzberg am 1. Mai geöffnet hat.
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