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Revolution in SyrienKein russischer Elefant im Porzellanladen

Der Stellvertreter Assads soll mit der Opposition verhandeln. Russland gibt beiden Parteien Schuld am Blutvergießen, das unterdessen weitergeht. Die EU überlegt Evakuierungspläne.

Immerhin kontrolliert er schon den Straßenverkehr von Homs: ein syrischer Rebellenkämpfer. Bild: dapd

BEIRUT dapd/dpa/afp | Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat nach seinem Besuch in Syrien am Mittwoch erste Ergebnisse präsentiert: Präsident Baschar Assad habe zugesichert, sein Stellvertreter werde das Gespräch mit der Opposition suchen, hieß es in Moskau. Für das Blutvergießen im Land seien sowohl das Regime, als auch dessen Gegner verantwortlich, sagte Lawrow. In Syrien selbst wurden nach Angaben von Aktivisten unterdessen Dutzende weitere Menschen getötet. Schwerpunkt der Kämpfe war den Angaben zufolge erneut die Stadt Homs. Die EU drohte mit einer Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Damaskus.

"Auf beiden Seiten gibt es Personen, die einen bewaffneten Konflikt und nicht Dialog als Ziel haben", sagte Lawrow nach seiner Rückkehr nach Moskau weiter. Assad habe "die Verantwortung für einen solchen Dialog" nun an Vizepräsident Faruk al Scharaa delegiert. Lawrow war am Dienstag in Damaskus mit Assad zusammengetroffen.

Die syrische Opposition hat Gespräche mit dem Regime abgelehnt und erklärt, sie werde einzig einen Rücktritt des Präsidenten und keine Kompromisse akzeptieren. Gemeinsam mit China hatte Russland am Wochenende im UN-Sicherheitsrat eine Resolution gegen Syrien blockiert.

Die Gewalt im Land setzte sich auch am Mittwoch fort. Aktivisten berichteten von Kämpfen in der Rebellenhochburg Homs, in der nördlichen Provinz Idlib, im Umkreis der südlichen Stadt Daraa und in der Gebirgsstadt Sabadani. Allein in Homs seien beim Beschuss von Wohnvierteln mit Panzern und Maschinengewehren bis zum Mittag mehr als 50 Menschen getötet worden. Nach Angaben des syrischen Staatsfernsehens beschossen Unbekannte in der zentral gelegenen Stadt auch eine Raffinerie und setzten dabei zwei Öltanks in Brand. Die Offensive gegen Homs soll seit dem Wochenende weit mehr als 200 Menschen das Leben gekostet haben.

Sanktionen gegen Zentralbank und Luftverkehr

Die EU drohte unterdessen mit einer Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Syrien. Erwogen würden ein Verbot kommerzieller Flüge nach Europa sowie das Kappen der Geschäfte mit der syrischen Zentralbank, sagte ein hoher Mitarbeiter des Diplomatischen Dienstes der EU am Mittwoch in Brüssel. Auch ein Einfuhrverbot für Phosphate werde geprüft. Entscheidungen könnten auf dem nächsten Treffen der EU-Außenminister am 27. Februar fallen. Die EU hat schon ein Öl-Embargo gegen Syrien sowie Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen Dutzende Angehörige des Regimes verhängt.

Die Europäische Union erarbeitet Notfallpläne, um bei einer Verschlimmerung der Lage in Syrien EU-Bürger in Sicherheit zu bringen. Die EU-Vertretungen in Jordanien und im Libanon werden verstärkt, um sich im Ernstfall um "einige tausend" in Syrien lebende Europäer zu kümmern, wie ein EU-Diplomat am Mittwoch in Brüssel sagte. Die EU-Länder wollen demnach über "die Sicherheit in dem Land, die Sicherheit der Bürger und Notfallpläne" beraten.

Die Forderung mehrerer US-Abgeordneter nach Waffenlieferungen für die syrische Opposition wurde vom Weißen Haus unterdessen zurückgewiesen. "Im Moment erwägen wir einen solchen Schritt nicht", sagte Regierungssprecher Jay Carney. Im Zentrum der Überlegungen in Washington stehe derzeit die humanitäre Hilfe für Syrien. Die USA würden zwar niemals eine Option ausschließen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums. "Wir glauben aber nicht, dass mehr Waffen in Syrien die Antwort sind."

Einigung im Sicherheitsrat wäre möglich gewesen

Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin erklärte, mit etwas mehr Geduld hätte im Weltsicherheitsrat eine Einigung auf eine Resolution zum Konflikt in Syrien erzielt werden können. Hätten die westlichen Staaten in der vergangenen Woche die Verhandlungen einige weitere Tage fortgesetzt, wäre eine Zustimmung zu dem Entwurf möglich gewesen, sagte Tschurkin am Dienstag.

Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat sich energisch gegen eine militärische Einmischung in den Syrienkonflikt ausgesprochen. "Das Volk muss selbst über sein Schicksal entscheiden", forderte Putin am Mittwoch nach Angaben der Agentur Interfax. "Natürlich lehnen wir jede Gewalt ab, von welcher Seite auch immer, aber niemand sollte sich wie ein Elefant im Porzellanladen benehmen", sagte Putin.

Die Staatengemeinschaft solle weiter versuchen, Moskau zu einer schärferen Gangart gegenüber dem Assad-Regime zu bewegen, sagte die Russland-Expertin Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die USA und Europa müssten zugleich den Schulterschluss mit den arabischen Staaten suchen, erklärte die Politikwissenschaftlerin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. "Denn die Russen wollen nicht, dass sie in der Region drastisch an Ansehen verlieren und isoliert dastehen."

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10 Kommentare

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  • RL
    rote Linien überschritten

    antisemitische verschwörungstheoretische und rassistische Kommentare wie den von GWalter nicht freischalten, sonst Strafanzeige der taz.

  • J
    Jakob

    @ SURI1

    lernen? du meinst lehren?

    faschistisches Russland? bitte was? Vieleicht sogar links liberale NSDAP???

    NAZI-Bath Partei?

    Ich denke du wolltest einen intellektuellen Kommentar schreiben, hast es aber total verpatzt...

  • HS
    Hari Seldon

    @suri1:

     

    1. Sogar die Meinungsforscher aus Katar (die sind ganz sicher keine Freunde von Assad) haben festgestellt, dass mindestens 65% der Bevölkerung in Syrien hinter Assad steht.

     

    2. Die Baath-Partei ist eine ganz klar kommunistische Partei, und keinesfalls Nazi-Partei.

     

    3. Putin war mindestens 20 Jahre lang Mitglied bei den Hauptkommunisten (die meisten Mitglieder in seiner Regierung ditto), so ich würde Russland eher als ein postkommunistisches Land betrachten. Russland (UdSSR) hat einen wesentlichen Beitrag dazu geliefert (mit ca. 22 Millionen Todesopfern), dass heute keine Nazis gibt.

     

    Bitte, wir sollten bei den Fakten bleiben, und Sie sollten Ihre Kriegshetzen zurückschrauben. Übrigens, auf dem Photo sehen wir einen "unbewaffneten und friedlichen" Demonstraten mit einem Maschinengewehr, und augenscheinlich läuft der Verkehr auf den Strassen von Homs ganz normal. Bitte, was meinen Sie, was würde in Den US, Türkei (bitte, denken Sie nur an die Treibjagden auf den Kurden), GB, Frankreich, usw. mit bewaffneten Rebellen passieren? Hätten Sie zum Beispiel den Vorrücken der Sturmpolizei in Frankreich schon erlebt? Sie benutzen brechstangenähnliche "Geräten" (aus Eisen versteht sich) statt Gummiknüppeln. Oder was meinen Sie, wer würde erst in NY schiessen: Ein Polizist, oder ein bewaffneter Demonstrant? Sie können drei mal raten...

  • D
    Dr.Manhattan

    @GWalter: Deutsche, die übers Existenzrechtrecht von Israel daherfaseln, sind doch nur fucking Nazis. Und auf dem Weg zu Weltherrschaft sind die USA auch nicht weiter gekommen als Pinky und der Brain. Übrigens: für Leute mit eindimensionalem Weltbild gibts doch die Junge Freiheit.

  • S
    SURI1

    Die Mehrheit der Menschen in Syrien sagt: NEIN Dank Faschistische russische Regierung!

    Die Idioten, die noch nichts von der Welt wissen, sollen zu erst von den RevolutionärInnen in Syrien ein bisschen lernen, was Dialog mit dem Groß-Verbrecher assad bedeutet.

    ES DARF KEIN GESPRÄCH MIT DEM NAZI-BAATH GEBEN!

  • TL
    Typisch linkes Gelaber

    "Wir haben drei Stunden gebraucht, bis wir uns zu der Familie vorgearbeitet hatten." Die Helfer, die unter schwerem Beschuss in den Trümmern gruben, fanden den Vater tot, die Mutter schwer verletzt und bewusstlos. "Sie haben drei kleine Kinder, die älteste ist sechs. Die Kinder haben drei Stunden neben ihrem toten Vater geweint und versucht, ihre Mutter zu wecken."

     

    Das ist was in Homs passiert. Natürlich stört das weder die Experten in dieser Leserbriefspalte noch in der Redaktion. Macht ja nicht der Ami. Da würde der geifer laufen und er tut es bei Typen wie "GWalter" ja anscheinend bei jedem Thema. Jaaa der Ami. Da würde man gleich das selbstgemalte Plakat packen und herzzereißend vor der Ami-Botschaft weinen. Lieber schreiben sie ihren selbstgestrickten Expertenquatsch über den nahen Osten, den sie weder jemals besucht und erst recht nie verstanden haben. Der Artikel der taz ist ebenso peinlich. Es gäbe überhaupt keine Gewalt wenn Basar die friedlicen Proteste nicht zusammenschießen lassen würde. Man kann ja die nächste Demo der taz-Leser und -Macher gegen einen Bahnhof oder gegen Atomtransporte einfach mal mit Artillerie unter Beschuß nehmen. Mal sehen wie sie es dann finden wenn dann jemand kommt und gegen ein Ende dessen stimmt um dabei von zwei gewalttätigen Seiten zu reden wenn sich dann ein Demonstrant nicht abknallen lassen will. Da wird geheult wenn man wegen Steinewerfens einen Arschtritt bekommt. Die russische Regierung ist übrigens an Demokratiewillen und Menschenfreundlichkeit nicht weit von Basar weg. Das hat Linke aber noch nie gestört, auch nicht als dort ein Massenmorden dank sozialistischer Aufbauarbeit stattfand. Manchmal vergißt man vor lauter geheucheltem Menschenrechtsgelaber, wo man ist wenn man taz liest.

  • P
    Peter

    So stark wie die Türkei die "Rebellen" unterstützt, inklusive militärischer Ausbildung durch türkische Geheimdienstagenten und Bereitstellung von Rückzugsraum für die Rebellen in der Türkei, sind die Auseinandersetzungen wohl kaum noch als "Kampf um die Demokratie" oder so etwas zu sehen. Vielmehr geht es wohl um die Vorherrschaft der regionalen Kräfte im nahen Osten, und wenn Syrien fällt, dann profitieren Israel, die Türkei und die USA.

  • F
    fidel

    @ GWalter:

    lesen bildet, das sollet man tun, bevor man seine ahnungslosigkeit, so wie hier geschehen, offenbart. ich empfehle sich über die geschichte und das ende des osmanischen reiches zu informieren.

    ein tip wäre auch noch masada. ist aber alles anstrengend und man wird zum nachdenken gezwungen.

    weil, schon 70 vor christus gab es juden besagten lande.

    araber gab es nicht, die saßen zu der zeit noch weiter weg. wie gesagt, lesen und auch begreifen hilft.

  • P
    Pharisäer

    Die Russen wollen nicht nur nicht an Ansehen in der Region verlieren, sie haben (gottseidank) auch als Einzige begriffen, dass es zu einem Konflikt immer zweier sich streitender Parteien bedarf. Schön dass die TAZ dies sachlich darlegt und sich nicht der einheitlichen (in unserer Gesellschaft leider tief verwurzelten) Anti-Russland-Haltung anschließt. Der Westen sollte sich dem Vermittlungsversuch Russlands anschließen und "in diesem" Rahmen auf entsprechende gesellschaftliche Veränderungen drängen.

  • G
    GWalter

    In diesem Punkt muss man Westerwelle voll unterstützen

     

    Die USA haben nach 1945 bereit über 40 Kriege und Konflikte geführt und begonnen, bei denen etwa 25 Millionen Zivilisten ums Leben kamen.

     

    Diese Kriege galten ausschließlich der Erlangung von Rohstoffen oder Landwirtschaftprodukten und man hat dann in diesen Ländern Vasallen an die Regierung gebracht, die die Wünsche der USA erfüllten...also die Weltherrschaft.

     

    Es gibt kein Land auf der Welt, das diesen Rekord gebrochen hat !

     

    Was den Iran angeht, so hat dieser seit Jahrhunderten keinen Krieg geführt und will auch keinen Krieg gegen Israel führen.

     

    Der Iran stellt nur die berechtigte Frage nach der Existenz des Staates Israel, der ja ein reines Eroberungsgebiet der Engländer ist und von diesen in voller Selbstherrlichkeit an die Israeliten übergeben wurde.

     

    Die Frage nach der Legitimität muss eigentlich erlaubt sein.