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Archiv-Artikel

Republikflucht

Die Berliner Mauer, je nach dem antiimperialistischer Schutzwall oder Schandmauer genannt, war noch vom Mond aus zu sehen. Sie bestand aus 155 Kilometern Stacheldraht und einer doppelten Betonmauerreihe, die 3,60 Meter hoch war, dazwischen befand sich ein Todesstreifen mit Elektrozäunen und Wachtürmen.

Errichtet ward sie am 13. August 1961 und bis zur Maueröffnung am 9. November 1989 immer wieder verbessert – aber auch abgerüstet, indem man beispielsweise die tödlichen Selbstschussanlagen wieder abbaute. Dafür wurden die Grenzposten mit Hunden verstärkt.

Noch im Juni 1961 erklärte der SED-Chef Walter Ulbricht: Niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen. Und noch Mitte 1989 erklärte der letzte SED-Chef Erich Honecker: Die Mauer werde noch hundert Jahre bleiben. Der westdeutsche Künstler Joseph Beuys schlug 1978 vor, die Mauer fünf Zentimeter höher zu bauen: „aus ästhetischen Gründen“.

Die Ostzone riegelte sich ab, weil aufgrund ihrer Kollektivierungsmaßnahmen immer mehr Leute in die Westzonen flüchteten – zuletzt entschieden sich monatlich 150.000 für eine solche „Abstimmung mit den Füßen“. Etliche Ostintellektuelle wie Heiner Müller begrüßten die Maßnahme, um sich endlich dem Aufbau des Sozialismus widmen zu können.

Von den nach dem Mauerbau flüchtenden Ostdeutschen kamen 916 ums Leben, so die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“. Die Arbeitsgruppe „Mauermuseum am Check Point Charly“ sammelte alle Erfindungen und Hilfsmittel der Flüchtlinge, die es in den Westen schafften.

Anfangs standen ihnen (unentgeltlich) viele Fluchthelfer zur Seite. Später kommerzialisierte sich diese Solidarität – statt linke SDSler bildeten rechte CDUler wie der spätere Astronaut Reinhold Furrer und der spätere Bürgermeister Eberhard Diepgen Fluchthelferfirmen. Fluchthilfe war steuerlich absetzbar.

Auf der anderen Seite im Osten begegnete man diesen „Banden“ – die gelegentlich, wie Furrer, bewaffnet waren – mit einem Heer von Stasispitzeln und -spionen. Allein das Inlandsnetz umfasste laut Spiegel annähernd 30.000 Mitarbeiter.

Heute werden im Mauermuseum T-Shirts mit Mauerkunst und die Audiokassette „Hör die Panzer am Checkpoint Charly“ angeboten. Dort wurde jüngst das Kontrollhäuschen wieder aufgebaut. Models posieren davor in Grenzeruniformen und Souvenirhändler verkaufen nachträglich hergestellte und bemalte Mauerstücke.