: Rentner und Jazzhörer
Vorgänger von Otto Schily, Aufklärer für die NRW-SPD: Ex-Bundesminister Jürgen Schmude wird 70 Jahre alt
Seinen runden Geburtstag hat Jürgen Schmude schon am vergangenen Wochenende ein wenig vorgefeiert. Beim Jazzfestival Moers stand der lange Mann mit den weißen Haaren im Freizeitlook unter den Zuhörern und trank ein Bier. Der gebürtige Ostpreuße ist seit Jahrzehnten am Niederrhein zuhause.
Gestern gratulierte SPD-Chef Kurt Beck dem früheren Bundesjustizminister und langjährigen Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zum 70. Geburtstag: Schmude habe sein klares politisches Profil mit seinem „aktiven evangelischen Christsein“ in Einklang gebracht. Ähnlich ehrfurchtsvoll klingen die meisten Elogen.
Das mit dem klaren Profil war allerdings so eine Sache: Schmude stand als politischer Schüler von Gustav Heinemann mit seinem offenen Evangelischsein stets quer zu den politischen Flügeln in der SPD – ähnlich wie Johannes Rau. Als Politiker war Schmude eher liberal als links, weniger rechts als rechtschaffen. Die gelegentlich etwas steif wirkende Pose der „moralischen Instanz“ begleitete ihn auf seinen Karrierestationen. Zurückgewiesen hat Rechtsanwalt Schmude die Rolle des Mittlers und politischen Notars nicht wirklich. Vom Plateau christlicher Überzeugung aus Politik zu machen passt ja auch zu jemandem, der schon bei der Körpergröße die meisten Zeitgenossen überragt.
Nach seinem Parteieintritt 1957 absolvierte Schmude die typische SPD-Ochsentour: Ortsverein, Ratsmitglied, Kreistagsabgeordneter in Moers. Von 1969 bis 1990 gewann er dann regelmäßig ein Bundestagsmandat im Moerser Wahlkreis, der später Wesel II hieß. 1978 wurde er nach einigen Jahren als Staatssekretär bei einer Kabinettsumbildung Wissenschaftsminister unter Bundeskanzler Helmut Schmidt. 1981 wurde er Justizminister und in der Endphase der Schmidt-Regierung übernahm er für einige Wochen auch das Innenressort. Otto Schily war also nicht der erste SPD-Bundesinnenminister.
Nach der konservativen Wende 1982 engagierte sich Schmude in der evangelischen Kirche. Wichtige politische Ämter kamen nicht mehr auf ihn zu. 2002 machte er Schlagzeilen, als er für die NRW-SPD die Kölner Parteispendenaffäre untersuchte. Offenbar seien in Köln „besondere Praktiken eingerissen“, sagte er. Die Sozialdemokraten reagierten darauf mit Rauswürfen und einem personellen Neuanfang. Schmude kehrte wieder aufs politische Altenteil zurück.
MARTIN TEIGELER