piwik no script img

Rententheater mit merkwürdiger Besetzung

Stand und Substanz der Diskussion um die Harmonisierung der Alterssicherungssyteme / Die Debatte um Rentenfinanzierung und Eigenbeträge der Beamten schuf neue Koalitionen / Nur die Grünen wagten Grundsatzkritik und forderten Grundrente  ■  Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - So abrupt wie ein Sommerregen hat die Debatte um die Rentenfinanzierung und die Eigenbeiträge der Beamten an ihrer Alterssicherung begonnen und aufgehört. Das Wort vom „Rententheater“, macht die Runde. Erik Missener, Mitarbeiter der grünen Rentenexpertin Unruh, meint, die ganze Debatte sei von der „starken Beamtenlobby initiiert“. Andererseits sei es auch „ein Vorgeplänkel künftiger Koalitionsbildungen nach der Bundestagswahl“. Hans-Jürgen Krupp, ehemaliger Vizepräsident der hochkarätig besetzten Sachverständigenkommission zur Alterssicherung von 1983 ( „Harmonisierungskommission“) und jetziger Wirtschaftssenator in Hamburg erklärte, die Debatte sei „verquer“ und „völlig danebengelaufen“. Es werde so getan, „als ob die Beamten herangezogen werden sollen, Löcher in der Rentenfinanzierung zu stopfen“.

Der erregte Presseerklärungsstreit um die Eigenbeiträge der Beamten an der Alterssicherung im Schatten eines vorgeblichen „Altenbergs“, der die Rentenfinanzierung in Frage stelle, brachte eine Mischung von sachlichen Vorschlägen und ordnungspolitischen Alarmrufen. Die Positionen schufen merkwürdige Koalitionen quer durch die Parteien. Justizminister Engelhard, die CSU en bloc, der DGB und die ÖTV standen gegen die SPD, den sozialpolitischen Sprecher der FDP, Cronenberg, gegen den zweiten IG-Metall -Vorsitzenden Janzen, gegen Hermann Rappe (IG-Chemie), gegen die CDU-Mittelstandsvereinigung und gegen die Grünen. Engelhard sprach demagogisch von einem „Sonderopfer“ der Beamten, das ein „verfassungsrechtliches Unding“ sei, da Heranziehung der Beamten für ihre Alterssicherung gleichbedeutend sei mit der Finanzierung der Rentenversicherung.

Eine rentenpolitische Windmühle, da niemand an einen solchen Zusammenhang denkt. Er wurde auch prompt von dem Verfassungsrechtler Schneider, selbst Mitarbeiter der „Harmonisierungskommission“, darauf hingewiesen, daß es laut Kommissionsbericht von 1983 - nicht der vom Grundgesetz geforderten Eigenständigkeit der Beamtensicherung widerspreche, wenn Beamte schrittweise an der Finanzierung der eigenen Altersversorgung beteiligt würden. Auch der Hamburger Wirtschaftssenator Krupp erklärte gegenüber der taz, daß die Kommission auch unter Beteiligung der Beamten zum Schluß gekommen sei, daß die Beamten zur Finanzierung ihrer „durch sie verursachten demographischen Lasten“ beitragen müßten. Sonst wäre das Beamtensystem das einzige System, das „allein durch zunehmende Steuern finanziert“ werde müßte.

Die CSU sah jedoch bei der Forderung der Eigenbeiträge der Beamten das Berufsbeamtentum gefährdet. Sie sei vom „Neidkomplex geprägt“. Wilfried von Loewenstern (ÖTV) polemisierte gegen die angebliche Absicht, durch „Kürzung der Beamteneinkommen“ das „Heil der Renten“ gewinnen zu wollen. Demgegenüber sieht Cronenberg (FDP) einen „Harmonisierungsbedarf“ und wünscht, daß sich die Pensionshöhe nicht wie bisher nach dem erreichten Endgehalt, sondern nach dem Durchschnittsgehalt richte. Rappe (SPD) fordert eine Anpassung der Pensionen an die übrigen Renten. Janzen von der IG-Metall sieht die Gefahr, daß durch die Alterssicherung die Arbeiter und Angestellten zu „Lasteseln“ der Nation würden. Er verwahrte sich dagegen, daß die Pensionsfrage zum „unberührbaren Heiligtum hochstilisiert“ werde.

Allein die Grünen wagten hier eine grundsätzliche Kritik: Trude Unruh meinte, die Bevölkerung habe „den privilegierten Beamtenstaat satt“. Für Renten und Pensionen müßten einheitliche Berechnungsgrundlagen geschaffen werden. Sie wiederholte in diesem Zusammenhang den grünen Programmpunkt einer allgemeinen Grundrente von 1.200 DM. Diese Grundrente begründet sich aber weniger aus der Rentenfinanzierungsproblematik als aus der hohen Anzahl der Arbeitslosen. Mit diesem Beitrag verbinden die Grünen als einzige die Frage der Rentenfinanzierung mit der Frage der Beschäftigungspolitik. Ein Thema, das die Gewerkschaften, beherrscht von ihren Lobbys, gerade nicht in die Debatte gebracht haben. Dem Rentenexperten Gert Wagner (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) zufolge wird durch die „übertriebene Hektik“ der Debatte zweierlei vermischt: Die verteilungspolitische Frage der Finanzierung der Altersversorgung der Beamten und der Mythos vom „Altenberg“, der generell die Rentenfinanzierung in Frage stelle. Im Kern sei die Frage aber durch eine zukünftige Beschäftigungspolitik bestimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen