: Rente mit 75 Jahren
aus Berlin MARTIN LANGEDER
Die Deutschen müssen sich auf einen noch späteren Renteneintritt gefasst machen. Das ergeben Zahlen, die gestern das Statistische Bundesamt vorlegte. Denn nur mit einem höheren Eintrittsalter lässt sich der aktuelle Altenquotient halten, der das Verhältnis von Rentnern zu den 20- bis 65-Jährigen beschreibt. Die Quote liegt heute bei 32 zu 100, das heißt 100 junge, erwerbsfähige Menschen sichern die Rente von 32 Alten.
„Das Renteneintrittsalter müsste dafür rein rechnerisch auf 74 bis 75 Jahre angehoben werden“, sagte Walter Radermacher, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, in Berlin. Er bezieht sich auf Ergebnisse der 11. staatlichen Bevölkerungsvorausberechnung. Grundlage für sie waren Annahmen von Experten zu den Faktoren Geburtenrate, Lebenserwartung und Zuwanderung.
Das wesentliche Ergebnis: Im Jahr 2050 wird man in Deutschland vor allem alte Menschen finden. Viele dieser alten Menschen werden arbeiten – arbeiten müssen. „Selbst bei der günstigsten Berechnungsvariante lässt sich der Anstieg des Altenquotienten bei Rente ab 65 auf das nahezu Doppelte nicht verhindern“, so der Statistiker. Bereits 2030 werde dieser im Vergleich zu den Erwerbstätigen auf gut 50 steigen.
Im Gegensatz dazu gilt für die Gruppe der Erwerbstätigen das Motto „Schrumpfung und Alterung“: Heute sind etwa 50 Millionen Deutsche im Erwerbsalter von 20 bis 64 Jahren, bis 2050 soll sich diese Zahl – je nach Höhe der Zuwanderung – um bis zu 29 Prozent verringern. Anders ausgedrückt: „2050 wird jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein, heute ist es jeder Fünfte“, sagte Radermacher. Während das Durchschnittsalter der Deutschen von 42 Jahren auf etwa 50 Jahre steigen wird, verwandelt sich die Darstellung der Altersgruppen von der Pyramidenform in die eines zwiebelförmigen Kirchturms.
Derzeit ist der Jahrgang 1964, also die heute 42-Jährigen, das am stärksten besetzte Altersjahr, 2050 werden die zwischen 1988 und 1990 Geborenen die Vorherrschaft übernehmen. Sie werden dann 60 bis 62 Jahre alt sein. Für die Mitte des 21. Jahrhunderts erwartet Radermacher „doppelt so viele 60-Jährige wie Neugeborene“.
Noch gibt es etwa gleich viele unter 20-Jährige wie Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Allerdings wird dieses ausgewogene Verhältnis noch in diesem Jahr zugunsten der Alten kippen.
Schuld daran ist, wenig überraschend, in erster Linie das steigende Geburtendefizit. Die seit Jahrzehnten gleichbleibend niedrige Geburtenrate von etwa 1,4 Kindern je Frau müsse, so Radermacher, auch für die Zukunft weitgehend unverändert angenommen werden. Im vergangenen Jahr waren 144.000 mehr Menschen gestorben als geboren wurden, im Jahr 2050 wird diese Zahl auf 600.000 steigen.
Die Folge: Die Menge der unter 20-Jährigen wird bei Fortsetzung der aktuellen demografischen Entwicklung bis zu 40 Prozent niedriger sein als heute. Die Zahl der Menschen im Studentenalter wird zunächst noch leicht zunehmen – aber ab 2010 den heutigen Stand unterschreiten.
Während also viele Plätze in Kitas, Schulen und Universitäten in Zukunft ungenutzt bleiben werden, wird der Kampf um die Plätze im Pflegeheim wohl immer erbitterter geführt werden: Heute machen unter den knapp 16 Millionen Deutschen, die älter als 65 Jahre sind, die knapp vier Millionen über 80-Jährigen ein Viertel aus. 2050 werden unter den 23 Millionen Menschen in der Altersklasse „65 plus“ gut zehn Millionen älter als 80 Jahre sein.
Und: Wie schon seit 2003 nimmt die Bevölkerung hierzulande weiter ab. Anfang 2006 lebten 82,4 Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Im Jahr 2050 werden es voraussichtlich nur mehr 69 bis 74 Millionen sein.