■ Querspalte: Rent a Kamikaze
Während der Koch in der „Cat Food Sushi Bar“ rohen Thunfisch mit eingelegtem Ingwer und grünem Meerettich herrichtete, plauderten wir ein bißchen über Japan. Peter Maffay zum Beispiel müßte sich dort wohlfühlen; schließlich trägt der Mann Gürtelschnallen, die größer sind als er selbst, und der Japaner braucht ja auch eine Trittleiter, wenn er ein Glas Weizenbier trinken will.
Noch mehr Wissenswertes findet sich in Michael Crichtons Buch „Nippon Connection“. Dort erfährt man auch, wie der heimtückische Japaner Amerika an den Bettelstab bringen wird, wenn man ihm keinen Riegel vorschiebt. Crichton muß auch Heiner Giersberg vom Sender Freies Berlin gut gefallen haben; Giersberg erregte sich im Radio heftig darüber, daß die Aufzüge im Berliner Reichstag von der japanischen Firma Fujitec kommen und nicht von einem deutschen Anbieter. „Da wird man sich in Tokio auf die Schenkel klopfen“, malte er sich Tokio als bayerisches Bierzelt; den Mangel an Genauigkeit mußte dann Kraftmeierei ausgleichen. Der Umbau des Reichstags ist Giersberg „eine nationale Aufgabe“, weshalb es auch „legitim“ sei, „etwas egoistischer, ja, auch patriotischer zu denken“.
Patriotismus ist, wie jede (ersatz-)religiöse Verirrung, das Gegenteil von Denken; was sich in Giersbergs Getobe manifestiert, ist ein nationaler Minderwertigkeitskomplex. Solange solche Deutschen die Welt nicht unter deutscher Knute sehen, glauben sie, Deutschland – also sie selbst – würden von der Welt übervorteilt. Da darf dann auch die „Mit uns können sie's ja machen“-Seufzerei nicht fehlen: „Typisch deutsch“ soll laut Giersberg ausgerechnet der Mangel an aggressivem Nationalismus sein. Der von Giersberg angeschlagene Ton, in dem Realitätsverlust und Platzhirschtum zur Staatsmachtphantasie verschmelzen, aber ist der Beweis des Gegenteils.
Der Sushi-Koch stellte das Radio aus. Auf meine Bitte hin wählte er die Nummer des Rent-a-Kamikaze-Services in Tokio und bestellte einen Piloten zum Sender Freies Berlin. Wiglaf Droste
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen