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René HamannPlattenspielerDer Funktionär, das unbekannte Wesen

Foto: privat

Auch beim Tischtennis gibt es Funktionäre. So weit, so unerstaunlich. Irgendwer muss sich ja um die Sportlerinnen und Sportler kümmern, die Events organisieren, den Papierkram erledigen, die Hintergrundgespräche führen. Im Tischtennis, zumindest im deutschen, bleiben die Funktionäre allerdings meist unsichtbar; wen man allerhöchstens sieht, sind die Bundestrainer, die mittlerweile zu jedem größeren Turnier der Einzelwettkämpferinnen mitfahren und dort den Coach machen müssen. Da sitzen sie dann hinten und betreuen Patrick Franziska oder Ying Han, wie man zum Beispiel am vergangenen Wochenende beim Europe Top 16-Cup in Montreux gut sehen konnte. Was dann den Effekt hat, dass niemand coacht, wenn zwei Deutsche gegeneinander antreten müssen (Schweden und Franzosen haben dasselbe Problem). Was dieser Tage, auch das war in Montreux zu sehen, nicht gerade selten passiert.

Insofern ist das Profitischtennis, das sich in den letzten Jahren noch einmal weiter professionalisiert, kommerzialisiert, globalisiert, ja, neoliberalisiert hat, und das bislang erfolgreich, noch einige Schritte vom Profitennis entfernt. Zwar ist auch Tischtennis in der Hauptsache ein Individualsport – Doppel und Mannschaft werden zunehmend nachgeordnet, das Problem Mixed gibt es im Tischtennis auch –; doch so weit, dass die Profis auf sich allein gestellt sind und sich ihrerseits mit Coaches und sonstiger Rundumbetreuung ausstatten, sind wir noch nicht. Dazu fehlt schlicht das Geld.

Andere Phänomene des Funktionärtums sind allerdings schon zu beobachten im Tischtennis, was wiederum nicht ohne Seltsamkeit ist. Beim DTTB scheint alles heititei zu sein, ein gut funktionierender, dabei höchst erfolgreicher Verband. Im Nachbarland Österreich hingegen läuft so einiges schief, aber nichts Genaues weiß man offiziell nicht.

Die Verbandsspitze des ÖTTV, namentlich Präsident Wolfgang Gotschke und sein Vize Stefan Fegerl, steht seit mehreren Monaten unter heftiger Kritik, und zwar nicht (nur) seitens der Öffentlichkeit, sondern vor allem von Seiten ihrer Angestellten und Subalternen, also den Spielerinnen und Spielern. Die werfen der Führung „massive Übergriffe in Form von psychischer Gewalt und Vernachlässigung“ vor. Die Führung wiederum wehrt sich gegen die Vorwürfe, hat lange auf Zeit gesetzt, um sie auszusitzen, ausräumen freilich konnte sie sie bislang nicht. Aber ja, wenn Kameras draufhalten, wenn der Präsident eine Spielerin ungefragt küsst, ist die Sache relativ klar; wenn „psychische Gewalt“ und „Vernachlässigung“ die Themen sind, fragt man sich schon, was genau damit gemeint sein kann.

Daniel Habesohn, einer der betroffenen Spieler und seines Zeichens derzeit wohl Österreichs Bester – in Montreux schaffte er es in die Hauptrunde –, hat die Vorwürfe mittlerweile konkretisiert. „Die betroffenen Sportler und Trainer möchten keine Angst haben, ihren Job zu verlieren, weil sie etwas Kritisches sagen“, sagte Habesohn laut der österreichischen Presseagentur APA. Den Spielern wurde von oben sogar juristisch gedroht: „Was halt absolut nicht geht, ist dieses Unter-Druck-setzen von Personen, das Auftauchen am Arbeitsplatz und Ultimaten stellen – das ist ein absolutes No-Go.“

Heißt: Tischtennis ist eben Arbeit. Ganz konkret hängen da Existenzen dran. Du sollst halt was leisten, so lautet der Gedanke von oben, und bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt. Leider ein Gedanke, der auch politisch wieder fröhliche Urständ feiert, um es einmal so zu sagen.

Die Verantwortlichen lehnen bis dato jede Verantwortung ab. Eine Untersuchungskommission hat die Vorwürfe bestätigt, die Funktionäre bestreiten sie immer noch. Statt den Platz an der Sonne zu räumen, warten sie auf den Showdown, der endlich am 30. März stattfinden soll. Habesohn stellt sich zur Wahl – Gotschke und Fegerl allerdings auch. Und das Wahlverfahren ist relativ undurchsichtig. Irgendwelche Landesverbandsfunktionäre haben da auch noch ein Wörtchen mitzureden. So viel auch zum Thema Demokratie.

Dass sich der Vorstand noch einmal zur Wahl stellt, das lässt sich schon auch dreist nennen. Rücktrittsgedanken hegt Gotschke jedenfalls nicht: „Das wäre ein Schuldeingeständnis.“

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