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Renaissance der TorfkähneFast wie vom Teufel ins letzte Jahrhundert gebeamt

■ Wie eine Handvoll Handwerker aus Adolphsdorf die Torfkahn-Schipperei neu belebten

Sollte Ihnen bei einem Spaziergang im Teufelsmoor bei Worpswede eine Gruppe seltsam gekleideter Menschen in pechschwarzen Booten begegnen – erschrecken Sie nicht. Der Teufel hat Ihnen keinen Streich gespielt und Sie ins vorherige Jahrhundert gebeamt. Sie sind nur Heinz Wrieden auf seinem Torfkahn begegnet. Zusammen mit seinen Adolphsdorfer Freunden schippert er, wie einst seine Vorfahren, in alten Trachten gekleidet, auf besagtem Kahn Wümme und Hamme rauf und runter.

Vor 15 Jahren wurde aus einer „Schnapsidee“ Wirklichkeit: Der erste Torfkahn sollte eigentlich nur als origineller Umzugwagen für ein Dorffest dienen. Doch das war dem gelernten Tischler Heinz Wrieden zu wenig: „Wenn wir ein Schiff bauen, dann gleich eins, das auch schwimmt“, entschied er. Zehn Adolphsdorfer Handwerker griffen zu Hammer und Hobel und zimmerten einen Torfkahn – „nach Originalplänen“, wie Wrieden betont. Der fertige Kahn wurde gleich auf der Hamme zu Wasser gelassen und auf den Namen „Jan von Adolphsdorf“ getauft. Damit setzten die Bootsbauer den Grundstein für die Renaissance der Torfkahnschifffahrt im Teufelsmoor – mittlerweile ein lukratives Geschäft. Etwa 15 Kähne haben in den vergangenen Jahren Wriedens Werkstatt verlassen.

Die Leidenschaft für die alten Kähne kommt nicht von ungefähr: Heinz Wrieden stammt aus einer alteingesessenen Torfstecher-Familie. 1773 wurde der erste Wrieden im Teufelsmoor registriert. „Er gehörte zu den ersten Torfstechern im Moor, die später das Gebiet urbar gemacht haben“, so der Torfkahnbauer stolz. Auch die nächsten Generationen der Wriedens schufteten im Moor. Bei Wind und Wetter bauten sie Torf ab und transportieren den Brennstoff per Torfkahn auf Hamme und Wümme ins rund 40 Kilometer entfernte Bremen. „Mein Großvater gehörte zu einer der letzten Generationen der Torfkahnschiffer“, erzählt der Wrieden. Der 72-Jährige erinnert sich gerne an die Zeit, als die alten Kähne noch über die Hamme schipperten. „Bis zu 600 von ihnen waren damals unterwegs“, erinnert er sich. „Bei gehissten Segeln war das ein unglaublicher Anblick.“ Von der „guten alten Zeit“ kann aber keine Rede sein. „Die hat's damals nicht gegeben.“ Und dabei fällt ihm ein altes Sprichwort der Torfbauern ein: „Denn Ersten sien Tod, denn Zweeten sien Not, denn Dritten sien Brot.“ Heinz Wrieden dürfte definitiv zur letzteren Generation gehören. Wenn seine Kähne heute über die Hamme schippern, ist das Vergnügen pur: Die Fracht besteht aus fröhlichen Touristen, denen Wrieden das Seemannsgarn der Torfkahnfahrer erzählt.

Silke Katenkamp

Wer selber die Fahrt durch das Teufelsmoor wagen will: Informationen gibt's unter Tel.: 04792/13 36.

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