Rekommunalisierung der Müllabfuhr: Von Bergkamen lernen ...
Der Senat denkt über eine Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft nach, hat aber wenig Ahnung von Kosten und Gewinn. Anderswo hat man gute Erfahrungen gesammelt.
In Bergkamen haben sie es schon gemacht. Und werben jetzt damit, dass die Abfallentsorgung dort, seit Jahren, wieder in der Hand der Stadt ist. Okay, die Stadt in Nordrhein-Westfalen hat nur 51.000 EinwohnerInnen. Aber deren Müllgebühren sind gleich nach der Rekommunalisierung um zwölf Prozent gesunken, die Straßenreinigungsgebühr sogar um ein Viertel. Und der Service ist besser geworden: Es gibt dort jetzt eine verbilligte „Windeltonne“ für Eltern von Kleinkindern und einen „Voll-Service“, der für 40 Euro drei Kubikmeter Sperrmüll aus dem Keller wegschafft. Zwar will Bürgermeister Roland Schäfer (SPD) „keine generelle Vorbildfunktion“ für seine Stadt in Anspruch nehmen, aber: Wenn die Stadt derlei Aufgaben selbst erledige, „ist das Vielfach die beste Option“.
Ob das in Bremen auch so ist, will der rot-grüne Senat jetzt prüfen. So steht es auch in einer Antwort auf eine Große Anfrage der Linkspartei, die am Dienstag im Senat debattiert wird. 2018 laufen die Verträge mit der heute vollständig zur Nehlsen AG gehörenden Entsorgung Nord GmbH (ENO) aus, die früher, vor 1998, Bremer Entsorgungsbetriebe hießen. Das wäre die Gelegenheit, die Abfallwirtschaft wieder zu verstaatlichen.
Die Meinung der Linkspartei dazu ist klar: „Die neoliberale Lüge, mit Privatisierungen sei alles besser und billiger zu machen, hat sich am Beispiel der Müllabfuhr selbst widerlegt“, sagt ihr Umweltpolitiker Klaus-Rainer Rupp. Der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft sprach schon 2006 von einem „Trend der Rekommunalisierung“.
Zur Frage der Vor- und Nachteile einer solchen Entscheidung hält sich der Senat bislang bedeckt, auch über mögliche Kosten vermag er nichts zu sagen. Klar ist nur, dass Bremen in den letzten Jahren jeweils 20 Millionen Euro gezahlt hat, damit sich die ENO um Bio-, Rest- und Sperrmüll kümmert, bis 2008 waren es sogar bis zu 24 Millionen. Das geht aus der Senatsvorlage hervor. Welche Kosten die ENO hat und wie viel Gewinn sie erwirtschaftet, bleibt unklar – Nehlsen hält seine Bilanzen unter Verschluss, auch die Verträge zwischen der Stadt und den Entsorgern sind bis heute nicht-öffentlich. Dass die Abfallwirtschaft dauerhafte Profite erzielt, sei unstrittig, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ernst Mönnich von der Hochschule Bremen: „Das war immer so.“ Mönnich spricht von einem „Huhn, das goldene Eier legte“. Und 1998 für 176,9 Millionen Mark verkauft wurde.
Die Linke behauptet: „Jeder zehnte Gebühren-Euro bleibt als Gewinn übrig.“ Und 2014 werden die Müllgebühren steigen, erstmals seit 17 Jahren, dafür deutlich: Single-Haushalte müssten künftig „für die gleiche Leistung 43 Prozent mehr bezahlen“, kritisiert die Linkspartei. Für Nehlsen-Geschäftsführer und ENO-Aufsichtsratchef Hans-Dieter Wilcken hat gerade die Privatisierung „wesentlich dazu beigetragen“, dass die Gebühren so lange stabil blieben. Im gleichen Zeitraum seien die Gebühren in Deutschland durchschnittlich um 39 Prozent gestiegen. Und die für 2014 geplante Gebührenerhöhung sei nicht auf die Verträge mit der ENO zurückzuführen.
Die Zahl der Mitarbeit dort ist laut Senat seit 1998 von 699 auf 362 reduziert worden. 2018 wird es Schätzungen zufolge wohl noch etwa 300 Beschäftigte geben, die im Falle einer Rekommunalisierung wohl ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst hätten. Der Altersdurchschnitt bei der ENO liegt jenseits der 50, das ist kein Geheimnis, doch dem Senat liegen hierzu „keine Erkenntnisse“ vor. Neu eingestellten Leuten zahle Nehlsen gut 20 Prozent unter Tarif, sagt die Gewerkschaft Ver.di, die für eine Rekommunalisierung eintritt. Der tarifliche Mindestlohn von 8,68 Euro pro Stunde werde überall gezahlt, sagt der Senat. Auch die LeiharbeiterInnen – ihre Quote liegt nach Firmenangaben bei 7,7 Prozent – bekämen den Mindestlohn der Entsorgungsbranche, so der Senat. „Nehlsen und ENO bieten gute Arbeitsbedingungen sowie sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze“, sagt Wilcken.
Im Falle einer Rekommunalisierung müsste die Stadt nach seinen Worten Know-how und Infrastruktur im Wert von über 50 Millionen Euro beschaffen. Er hat schon einen Kompromiss im Angebot: „Wir halten es für sinnvoll, dass die Stadt sich an der ENO beteiligt“, sagt Wilcken. Sie könne damit strategischen Einfluss nehmen.
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