AUCH DIE DEUTSCHEN BETREIBEN BIOPIRATERIE – ENTGEGEN DEM UN-RECHT : Reisepass für Heilpflanzen
Der Biopiraterie-Vorwurf einer ländlichen Gemeinschaft aus Südafrika gegen den deutschen Medikamentenhersteller Schwabe legt Defizite des Patentrechts offen. Das Unternehmen hat vom Europäischen Patentamt zwei Patente für die Nutzung der Heilpflanze Pelargonie erhalten – ohne große Probleme, obwohl es offenbar keine Zustimmung der Alice-Community hatte, die mit der Blume seit Jahrhunderten Krankheiten behandelt. Nun fühlen sich die Südafrikaner bestohlen. Schließlich hätten sie als Erste die heilende Kraft der Pelargonie entdeckt.
Immer wieder klagen Gruppen oder Staaten aus dem Süden, dass Firmen aus dem Norden ihr traditionelles Wissen über Heilpflanzen ohne ihr Einverständnis zu Geld machten. Denn das internationale Patentrecht fordert bislang nicht, dass die ursprünglichen Nutzer einer genetischen Ressource gefragt werden. Damit widerspricht es internationalen Verträgen wie der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD). Doch bisher unterlaufen die Industrieländer das Abkommen, indem sie Verstöße in ihren Staaten ignorieren.
Das muss sich ändern. Wie – dafür gibt es schon konkrete Vorschläge. Eine Expertengruppe der Vereinten Nationen hat im vergangenen Jahr angeregt, ein Zertifikat für Heilpflanzen und andere genetische Ressourcen zu vergeben. Dieser „Reisepass“ soll die Herkunft der Pflanze und gebenenfalls des traditionellen Wissens für ihre Nutzung festhalten. Außerdem würde so ein Dokument bestätigen, ob die Pflanze mit Billigung der Ureinwohner genutzt wird. Auch könnte das Zertifikat sicherstellen, dass die Firma sich mit den Vertretern der betroffenen Bevölkerung über die Aufteilung der Gewinne geeinigt hat.
Ideen kursieren also – sie müssen nur umgesetzt werden. Eine Gelegenheit dazu bietet die Konferenz der CBD-Staaten ab 19. Mai in Bonn. Rund 190 Länder verhandeln darüber, wie die Ziele der Konvention erreicht werden können. Hätten sich die Staaten schon jetzt geeinigt, dann gäbe es den Streit zwischen der Alice-Community und der Firma Schwabe wohl nicht. JOST MAURIN