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Reinhard Loske über Moorburg"Wie eine Löwin gekämpft"

Bremens Umweltsenator Reinhard Loske verteidigt die Entscheidung der Hamburger GAL, das Kraftwerk in Moorburg zu genehmigen. Umweltsenatorin Hajduk habe stark dagegen engagiert.

Der Stein des Anstoßes. Wie stehen die Grünen zur Kohle? Bild: dpa

taz: Herr Loske, das ist doch das grüne Grauen: Die grüne Senatorin in der ersten schwarz-grünen Koalition genehmigt ein Kohlekraftwerk.

Bild: ap
Im Interview: 

Reinhard Loske, 49, Umweltsenator im rot-grünen Bremen, war bis 2006 Vizechef der grünen Bundestagsfraktion.

Reinhard Loske: Erst einmal ist das Kraftwerk Hamburg-Moorburg ein Symbol für die Rücksichtslosigkeit eines Großkonzerns gegenüber einem Gemeinwesen. In der Tat aber wird eine Entscheidung für das Kraftwerk in Hamburg für die Grünen schwer zu kommunizieren sein, weil große Erwartungen im Raum stehen.

die die Grünen selbst geschürt haben, als sie die schwarz-grüne Koalition mit der Behauptung eingingen, Moorburg sei verhinderbar.

Auch die Hamburger Grünen bleiben ja dabei, dass die Zukunft ganz sicher nicht der Kohle gehört. Nur ist es ein schwieriger Weg, ein schon im Bau befindliches Kraftwerk noch auf dem verwaltungsrechtlichen Wege zu verhindern. Das Schwert der Umweltsenatorin Anja Hajduk, das Wasserrecht, war nicht ganz so scharf, wie wir es erhofft haben.

Sie haben in Bremen ein Kohlekraftwerk verhindert.

Ja, da waren die Dinge aber auch noch nicht so weit gediehen wie in Hamburg. Auch haben die Bremer Stadtwerke sich viel stärker davon beeindrucken lassen, dass die Bevölkerung gegen den Meiler war. Die gesellschaftliche Einbindung eines lokalen Energieversorgers ist stärker als die eines Großkonzerns wie Vattenfall.

Wie sollen die Grünen im Rest der Republik noch Klimapolitik machen? In Mannheim und Karlsruhe gehen Grüne gegen Kohle auf die Straße.

Die zu erwartende Hamburger Entscheidung wird sicher ausgenutzt, um uns an der Glaubwürdigkeitsflanke anzugreifen. Das macht die Sache nicht einfacher. Doch es wird sich auch herumsprechen, dass Anja Hajduk wie eine Löwin gekämpft und ein Netz von Restriktionen um das Kraftwerk herumgestrickt hat.

Müssten die Bundesgrünen von den Hamburgern nicht fordern, die Koalition zu verlassen?

Moorburg ist zwar kein lokalpolitisches Problem, doch über die Koalition entscheidet die Hamburger Basis und niemand sonst.

Die Grünen haben offensichtlich ein Problem mit der Kohle: Zwar sind sie dagegen, doch der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer beteiligt sich mit seinen Stadtwerken an einem Kohlemeiler, der Parteichef in spe Cem Özdemir gibt missverständliche Interviews, Joschka Fischer schießt quer …

Joschka Fischer verlangt in ein und demselben Interview eine Energierevolution, macht aber strukturkonservative Vorschläge. Das passt nicht zusammen. Ansonsten haben wir kein Kohleproblem, sondern einen klaren Parteitagsbeschluss, der breit in der Partei verankert ist, für ein Moratorium. Solange es keine Technik gibt, um das beim Kohleverbrennen anfallende CO2 aufzufangen und anständig zu entsorgen, soll es keinen Kraftwerksneubau geben.

Nochparteichef Reinhard Bütikofer hat bereits zugegeben, dass die Grünen ein Kohle-Kommunikationsproblem haben. Das "Moratorium" verkauft sich nicht gut, oder?

Natürlich ist das nicht ganz leicht allen zu erklären, aber leicht ist ja auch die Lösung des Klimaproblems nicht. Wer, wenn nicht die Grünen, sollte das Notwendige benennen? Sicher wäre ein modernes Kohlekraftwerk effizienter als ein altes, noch laufendes Kraftwerk. Ein neues Kraftwerk bleibt aber bis 2050 stehen. Dadurch schwindet der Innovationsdruck, wirklich für saubere Lösungen zu sorgen, und es werden Fakten geschaffen, die das CO2-Problem zementieren.

Bei Ihnen im Norden wird derzeit ein ganzer Schwung Kohlemeiler geplant. Was wollen Sie unternehmen?

Der Norden muss sich entscheiden. Die ganze Küste entlang, von Emden und Wilhelmshaven über Stade und Brunsbüttel bis Kiel und Lubmin, sind zwölf Blöcke mit insgesamt über 10.000 Megawatt Leistung in Planung. Man kann aber nicht die Küste mit Kohlekraftwerken abriegeln und gleichzeitig 25.000 Megawatt Offshore-Windräder ins Meer bauen wollen. So viel Energie bekommt man über die Netze nicht nach Süden transportiert. Die Nordbundesländer müssen klarstellen, dass sie nicht der neue CO2-Hotspot werden wollen, nur weil sie für den Kohletransport per Schiff billig anzusteuern sind. Wir brauchen eine überregionale Weichenstellung - auf Bundes- und auf EU-Ebene.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

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8 Kommentare

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  • EA
    Euklides Al-Biruni

    @ bernhard wagner : Den von Ihnen erwähnten Kommentar mit dem Link dahin kann ich leider nicht finden.

    Vielleicht wurde er gelöscht oder es gab ein Versehen (vielleicht ist der Link falsch oder 'was anderes).

    Schade, hätte mich interessiert.

     

    Die Idee, Strömungsturbinen nicht am Meeresboden sondern direkt an Windradsockeln zu verankern und evtl. diese auch gleich mit ein paar Wellenkraftmodulen zu verbinden, finde ich genial!

    :-))

    und auch manchen Tieren am Meeresboden würde das vielleicht auch besser gefallen ;-)

    - obwohl, so viel Schaden, wie etwa die großen Grundschleppnetz-Fischereitrawler weltweit in den Meeren schon angerichtet haben - dagegen wäre es sogar einigen Tausend Turbinen am Meeresboden noch harmloser, aber sicher hängt es auch davon ab, wo überhaupt ausreichende Strömungen existieren

    (kleinere Anlagen, die schneller ansprechen, dazu mit MRT statt mit Getriebe laufen, wären aber ja auch für sehr geringe Strömungen schon geeignet)

  • BW
    bernhard wagner

    Was ich noch vergessen hatte: Um die Installation Wartung der Strömungsturbinen erheblich leichter zu gestalten und sie damit auch billiger zu machen, könnten viele davon an Sockeln von offshore Windrädern befestigt werden, evtl. auch bei dem von mir bereits erwähnten Modell schwimmender und mit Ketten/Drahtseilen verankerten Modellen. Diese könnten außerdem auch mit Wellenkraftanlagen kombiniert werden. Zur Frage der schnelleren Entwicklung u. der Finanzierung vgl. auch meinen Kommentar unter http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/kommentarseite/1/gewaltiges-potenzial-fuer-erneuerbare/kommentare/1/1

    am 02.10.2008 um 19:49 h

  • BW
    bernhard wagner

    Besser als jedes KKW und AKW sind WKA (Windkraftanlagen) und Strömungsturbinen am Meeresgrund - vgl. auch: http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/kommentarseite/1/gruene-sagen-ja-zur-kohle/kommentare/1/1/

  • A
    Axel

    man kann eine ökologische katastrophenentscheidung und wählertäuschung schön reden und rechtfertigen wie man will, es bleibt eine grüne wahllüge und eine absage an ökologische positionen und den klimaschutz.

    das glaubwürdigkeitsproblem der grünen wird mit moorburg immer größer und reiht sich ein in die vielen anderen wählertäuschungen wie studiengebühren, beust-abwählen, elbvertiefung...

    die geschluckten kröten werden zum elefanten und auch durch schönfabulieren im rahmen von angeblichen sachzwängen und erfolgen innerhalb der schwarz-grünen koalition keinen millimeter kleiner.

    nach dem abschied von der friedenspartei der abschied von der ökologiebewegung. was inhaltlich bleibt ist äußerst dürftig, aber die fleischtöpfe hängen nun niedriger...

  • E
    emil

    hamburg sollte nun wenigstens alle gebäude orientiert am nullenergiehaus standard sanieren, die neuen ebenso bauen, vgl. aktuell dazu: http://www.das-energieportal.de/startseite/nachrichtendetails/datum/2008/09/29/eintrag/ziel-solaren-bauens-ist-die-nullenergiebilanz-von-gebaeuden/

     

    außerdem die stadtwinde durch viele windräder nutzen, die z.b. auf dächern und an kreuzungen installierbar sind (ich meine damit natürlich keine 5 megawattanlagen, sondern viel kleinere, die aber auch 'was bringen). dazu wäre natürlich vor den küste von der normandie bis helsinki u.s.w. der ausbau der windenergie voran zu treiben. finanzierbar teilweise durch höhere steuern auf alle schadstoffemissionen, übrigens auch auf die schwermetalle, die kohlekraftwerke ausstoßen!

  • SS
    selten so gelacht

    Was ein Vogel!

     

    Wer mit der "Rücksichtslosigkeit eines Großkonzerns gegenüber einem Gemeinwesen" beginnt, um sein eigenes Versagen zu verschleiern, ist entweder strunzdumm oder scheinheilig, weil er:

    1. Nicht kapiert hat, wie Wirtschaft funktioniert

    (Gemeinwesen, hahaha. Sie Bankenkrise!)

    oder

    2. so tut als ob er es nicht weiß. Dann ist er scheinheilig.

     

    Und im nächsten Abschnitt spielt er das "glaubwürdigkeitsproblem" der Partei herunter.

     

     

    Do it like Oswald Metzger!

    Wider den grün-schwarzen Einheitsbrei!

  • A
    Asam

    Ich denke dümmer kann man es nicht machen!

    Diese entscheidung fährt der Partei Bundesweit ein grosses glaubwürdigkeits Problem ein.

    Aber was will man erwarten, die Grünen haben sich erst von der Friedensbewegung verabschied, wenn sie sich jetz ncoh von einer kompromisslosen Umweltpolitk entfernt, ist die Partei endlich in

    der bürgerlichen Mitte angekommen, und damit überflüssig.

  • ME
    M. Eskandani

    Gebe zu Bedenken, dass für den Grossteil der Bevölkerung völlig unklar ist, wie der Energiebedarf demnächst zuverlässig und konstant abgedeckt werden soll, wenn Atomkraft UND Kohlestrom demnächst ausfallen sollen. Münsteraner haben im letzten Schneesturm auf die harte Art erfahren, was es bedeutet, wenn der Strom für längere Zeit weg ist. Theoretische Rechnungen sind da wenig vertrauenerweckend und reichen nicht aus. Gebe auch zu Bedenken, dass bei einem Moratorium für den Bau für Kohlekraftwerke jede Investitionsbereitschaft für Neuentwicklungen unmittelbar versiegt. Zudem: jede neue Technologie in der Praxis, d.h. bei der Kohleenergie mit einem Kraftwerk ausprobiert werden muss. Erst dann werden Fehler/Ansätze zur Weiterentwicklung oft deutlich. Wo soll das dann noch bei einem Moratorium geschehen? In China?