Reiche wollen mehr Steuern zahlen

Der Hamburger Reeder Peter Krämer hat einen offenen Brief an SPD und CDU geschrieben: Es sei „zutiefst unsozial“, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Stattdessen sollten Vermögende 38 Milliarden Euro jährlich mehr aufbringen

BERLIN taz ■ Eine ungewöhnliche Botschaft für einen Unternehmer: „Schaffen Sie das Steuerparadies für wirklich Reiche in Deutschland ab“, fordert der Hamburger Reeder Peter Krämer. Seinen offenen Brief hat er an die „sehr geehrte Frau Merkel“ und den „sehr geehrten Herrn Müntefering“ gerichtet. Und damit die beiden Verhandlungsführer einer großen Koalition das Schreiben auch bemerken, hat es Krämer als einseitige Anzeige in die FAZ und in die Bild-Hamburg vom Samstag gesetzt.

„Es ist ein Skandal“, schreibt Krämer dort, „dass Deutschland im internationalen Vergleich die niedrigste Besteuerung für Vermögensbestände hat.“ In Großbritannien würde die Quote der Besitzsteuern bei 4,3 Prozent des Bruttosozialprodukts liegen, in Deutschland nur bei 0,8 Prozent. Krämers Vorschlag: Die Reichen sollten 38 Milliarden jährlich mehr aufbringen. „Belasten Sie die Vermögenden!“ Stattdessen die Mehrwertsteuer zu erhöhen, sei „zutiefst unsozial“.

Mit dem SPD-Projekt einer Reichensteuer kann Krämer hingegen nur wenig anfangen: „lächerlich“. Denn es würde „gerade einmal 1,5 Milliarden Euro“ bringen, den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent zu erhöhen, wenn das Jahreseinkommen 250.000 Euro übersteigt.

Unterschrieben haben noch 20 weitere Prominente und Firmeninhaber, darunter die Schriftsteller Günter Grass und Erich Loest sowie die Millionenerben Percy Rohde und Susann Haltermann. Auch der 28-jährige Bruno Haas gehört zu den Unterzeichnern. Seine Familie besitzt eine Chemiefirma; er selbst promoviert in Philosophie zur „Meta-Ethik“ und hat sich „noch nicht im Detail ausgerechnet“, was eine Steuererhöhung für ihn bedeuten würde. Auch seine momentane Belastung hat er „nicht im Kopf“. Ihm geht es um das Signal: „Es gibt Vermögende, die nicht so denken, wie alle denken, dass sie denken.“

Allerdings reagieren Union und SPD bisher nicht auf dieses Angebot. Stattdessen steht die erhöhte Mehrwertsteuer weiterhin ganz oben auf der Hitliste, um den Haushalt zu sanieren. Auch die SPD sperrt sich nicht mehr entschieden dagegen. Ihr rheinland-pfälzischer Ministerpräsident Kurt Beck befand gestern etwas kryptisch: „Verweigern darf man sich sicher einem solchen Gedanken nicht.“

Verwirrung löste hingegen gestern die Frage aus, ob es ein „Junktim“ gibt: Stimmt die SPD einer erhöhten Mehrwertsteuer nur zu, wenn auch die Reichensteuer kommt? SPD-Steuerexperte Joachim Poß schien dies nicht zu verneinen: „Alles hängt von allem ab.“ Der designierte SPD-Finanzminister Peer Steinbrück widersprach. „Es gibt eine solche Konstruktion nicht, da es zum gegenwärtigen Stand der Verhandlungen noch nicht einmal Zwischenergebnisse gibt.“ Nur so viel ist sicher: Ende dieser Woche soll die Koalitionsvereinbarung stehen, damit die Parteitage am nächsten Montag darüber beraten können.

Obwohl Union und SPD bisher nicht auf die Anzeigen-Offerte eingehen, dass Vermögende ruhig mehr Steuern zahlen könnten, bleibt Firmenerbe Haas optimistisch. Zumindest langfristig. „Immerhin haben wir Öffentlichkeit geschaffen.“ ULRIKE HERRMANN