Rehagel warnt vor Eisbein

Trainer-Star Rehagel wirbt in seiner Heimatstadt Essen für Sport und gegen Bewegungsmangel. Bei der Vorstellung der Aktion „Fit am Ball“ belehrt König Otto Schüler über Gefahren der Fettsucht

Ziel der Kampagne: „Wir wollen die Kinder vom Fernseher wegkriegen“

AUS ESSENMARTIN TEIGELER

Es riecht nach Schweiß in der Aula der Gesamtschule Essen-Holsterhausen. Zwanzig Kinder in roten T-Shirts dribbeln mit Fußbällen um Markierungs-Hütchen. Die Schülerinnen und Schüler zwischen zehn und 14 Jahren – die meisten von ihnen dünn, wenige übergewichtig – führen vor, wie fit und sportlich sie sind. Der gebürtige Essener und Fußball-Europameister Otto Rehagel schaut sich die Aktion an. Im feinen Anzug steht er auf der Bühne der Schul-Aula und blickt auf die jungen Sportler herab. Später wird er Ratschläge geben: „Wenn ihr nicht auseinander gehen wollt, dann treibt Sport!“

„Fit am Ball“, heißt die Aktion, die der frühere Bundesliga-Trainer Rehagel (Dortmund, Düsseldorf, Bremen, Bayern München, Kaiserslautern) gestern im Ruhrgebiet vorstellte. Das Projekt wird von der Deutschen Sporthochschule Köln durchgeführt. Es startete im Februar 2004 an 24 Kölner Schulen und soll jetzt landesweit an 200 NRW-Schulen für den Schulsport und ausgewogene Ernährung werben. Prominente Sportlerinnen und Sportler wie Rehagel oder Kölns Nationalspieler Lukas Podolski sollen den Nachwuchs dazu animieren, weniger Junk-Food zu essen und mehr Sport zu treiben.

„Kein Eisbein essen“, warnt Rehagel die versammelte Schülerschaft nach der Fußball-Präsentation. Rehagel erzählt von früher. „Nach dem Krieg bin ich in Essen-Altenessen aufgewachsen“, sagt er. „Damals hatten wir keinen Game-Boy und auch keinen Fernseher.“ Täglich habe er auf den Straßen von Essen gespielt. „Wir hatten ja nur den Ball“, berichtet der 66-Jährige über die Anfänge seiner sportlichen Karriere. Er habe immer Sport getrieben, sagt Rehagel und tänzelt zum Beweis seiner Fitness wie ein Boxer auf der Stelle. Ein paar Kinder müssen lachen. „Wenn man fit ist, kann man was reißen“, spornt er die still lauschende Versammlung an. Den Schülern gefällt der Auftritt des Opas. Mit Handys werden Fotos des Besuchers gemacht. Ein Schild wird hochgehalten: „Otto, ich will ein Kind von dir!“

„Zielgruppe der Aktion sind die Schuljahrgänge drei bis sechs“, berichtet Jürgen Buschmann, Dozent an der Kölner Sporthochschule. Die Kinder sollen mehr Freude an „gesundheitsrelevanten Faktoren“ finden, um Übergewicht vorzubeugen. Das ganze solle „spielerisch und ohne erhobenen Zeigefinger“ geschehen, sagt Buschmann. Bewegungsmangel ist nach Meinung von Experten die Hauptursache für Übergewicht und Adipositas (Fettsucht) – laut Weltgesundheitsorganisation WHO eines der größten Gesundheitsrisiken weltweit mit dramatisch ansteigenden Zahlen.

Neben Otto Rehagel unterstützen auch DFB-Nationaltorhüterin Silke Rottenberg, der Kölner Zweitliga-Spieler Podolski und Hockey-Olympiasiegerin Marion Rodewald den Werbe-Feldzug.

Mit einer angeblich sechsstelligen Summe sponsert der Kölner Kartoffelchips-Hersteller Intersnack das Vorhaben. „Wir wollen die Kinder vom Fernseher wegkriegen“, sagt Manager Christopher Ferkinghoff. Das Engagement des „funny-frish“-Produzenten ist nicht ganz uneigennützig. Die Kampagne soll Flips und Chips das Image von Sportlichkeit und Fitness verleihen. Otto Rehagel ist das egal. Er ließ sich gestern noch mit den Schülern fotografieren. Fragen zum aktuellen Schiedsrichterskandal wollte er nicht mehr beantworten. „Dazu sage ich nichts mehr“, sagt er und verschwindet in einer Luxuslimousine.