Regulierung von künstlicher Intelligenz: Mehr Vorgaben für KI gefordert
Die EU will ihr Regelwerk für künstliche Intelligenz fertig verhandeln. Kurz vor Schluss gibt es nun Streit: Fachleute fordern mehr Verbindlichkeit.
In einem offenen Brief fordert eine Gruppe namhafter Forscher:innen sowie Vertreter:innen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass diese Modelle verbindlich reguliert werden. Die Bundesregierung hatte sich zuletzt gemeinsam mit Frankreich und Italien dafür eingesetzt, dass es lediglich eine Selbstregulierung geben soll. „Wir glauben, dass die Regulierung von Grundlagenmodellen im AI Act für ein florierendes und sicheres KI-Ökosystem entscheidend ist“, heißt es in dem offenen Brief. Von einer Selbstregulierung sei abzuraten.
Die EU-Gremien wollen sich bis spätestens Ende des Jahres auf die Details einer Regulierung für KI geeinigt haben. Derzeit laufen die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat. Der AI Act soll eine rechtliche Grundlage für die Entwicklung und den Einsatz von KI bilden und gleichermaßen ihren Einsatz ermöglichen, wie mögliche Schäden abwenden oder minimieren.
Die Probleme sind jetzt schon zahlreich: von der Möglichkeit, schnell große Mengen an Fake News und Propaganda zu generieren über Diskriminierung durch KI-basierte Inhalte oder Entscheidungen bis hin zur ungeklärten Haftungsfrage – wenn also durch den Einsatz von einem KI-System Schaden entsteht.
Brief warnt vor zahlreichen Gefahren
Die Basis- oder Grundlagenmodelle („Foundation Models“), um die sich der Konflikt nun dreht, sind so etwas wie das Fundament der Technologie: Es sind sehr große KI-Modelle, die mit einem breiten Satz an Daten trainiert wurden. Basismodelle gibt es nicht nur für Text – wie GPT –, sondern auch für Bilder, Videos oder Sprache. Ein Basismodell kann die Grundlage für eine Vielzahl von Anwendungen sein. Welche Regeln für diese Modelle gelten oder nicht gelten, wird daher entscheidend sein für die weitere Entwicklung.
Die Unterzeichner:innen des Briefes argumentieren folgendermaßen: KI berge zahlreiche Gefahren, unter anderem auch für die öffentliche Sicherheit – etwa durch KI-generierte Desinformation und Manipulation oder KI-gestützte Cyberangriffe. „Diese Risiken für die öffentliche Sicherheit sind Grundlagenmodellen inhärent“, heißt es in dem Schreiben.
Daher sei es so wichtig, dass es hier verbindliche Regeln gebe. „Eine Selbstregulierung würde wahrscheinlich auf dramatische Weise hinter den Standards zurückbleiben, die für die Sicherheit von Grundlagenmodellen nötig sind.“ Schon ein einziges unsicheres Basismodell könne Risiken für die öffentliche Sicherheit bergen.
Unter den Unterzeichnenden sind unter anderem die Turing-Preis-Gewinner Yoshua Bengio und Geoffrey Hinton sowie die Informatik-Professorin Katharina Morik, die als eine der Vorreiterinnen in der Forschung zum Maschinellen Lernen gilt.
Digitalminister Volker Wissing (FDP) hatte dagegen nach einem Treffen mit Vertreter:innen baltischer Staaten in der vergangenen Woche die gegenteilige Position der Bundesregierung verteidigt: „Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass KI sich andere Orte sucht als Europa.“ Weniger Regulierung diene der Sicherheit, weil Europa dadurch attraktiver als Entwicklungsstandort würde und bei einer Entwicklung hierzulande eher europäische Werte berücksichtigt würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“