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Regisseur Mehrdschui und Frau erstochenEin Doppelmord erschüttert Iran

Regisseur Dariusch Mehrdschui und seine Frau, die Autorin Wahideh Mohammadifar, wurden erstochen. Viele fühlen sich an Mordserie der 1990er erinnert.

Dariush Mehrjui und seine Frau Vahideh Mohammadifar Foto: ISNA/ap

Am 14. Oktober verbreitete sich eine Nachricht in den sozialen Medien, die den Iran in Aufregung versetzte: Der renommierte iranische Filmregisseur Dariusch Mehrdschui und seine Ehefrau Wahideh Mohammadifar wurden in ihrem Haus in der Nähe von Teheran erstochen. Iranische Medien und der staatliche Rundfunk bestätigten am Samstagabend den Mord an dem 83-jährigen Filmemacher und seiner Frau, einer bekannten Autorin, Kostümbildnerin und Regieassistentin. Gemäß Informationen der Nachrichtenagentur ISNA wurden vier Verdächtige im Zusammenhang mit dem Mord festgenommen.

Der Regisseur verließ im Jahr 1959 den Iran, um in den USA Film zu studieren. Nach dem Abbruch seines Filmstudiums widmete er sich an der University of California der Philosophie. Nach seiner Rückkehr schuf er den Film „Die Kuh“, basierend auf einer Kurzgeschichte des Autors Gholam Hossein Saedi. Obwohl die Zensurbehörde des Schah-Regimes dem Film zunächst die Genehmigung verweigerte, wurde „Die Kuh“ zu einem bahnbrechenden Erfolg für Mehrdschui und etablierte ihn als Pionier, der Literatur erfolgreich auf die Leinwand brachte und die Neue Welle des iranischen Kinos prägte.

„Kommt und tötet mich“

Nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 wanderte Mehrdschui erneut aus, diesmal nach Frankreich. Möglicherweise aufgrund der politischen Inhaftierung seiner Schwester kehrte er jedoch in seine Heimat zurück. Seine kritischen Filme erhielten häufig nur unter Vorbehalt Genehmigungen von der islamischen Zensurbehörde, wobei bestimmte Szenen herausgeschnitten werden mussten. „Santouri“ (2006), vermutlich sein meistgesehener Film, erreichte nie die Kinos, wurde aber auf CDs und VHS verbreitet. Im März 2022, als sein letzter Film, „La Minor“, keine Genehmigung erhielt, richtete Mehrdschui in einer Videobotschaft an den Kulturminister die Worte: „Kommt und tötet mich.“

Mehrdschui erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Goldene Muschel auf dem Internationalen Filmfestival von San Sebastián 1993 und den Silbernen Hugo auf dem Internationalen Filmfestival von Chicago 1998. Er übersetzte Werke des Dramatikers Eugène Ionesco und des Philosophen Herbert Marcuse ins Persische.

Zuvor wurde das Paar bedroht

Einen Tag vor dem Mord veröffentlichte die Tageszeitung Etemad ein Interview mit Mohammadifar, in dem sie von Bedrohungen und einem Einbruch in ihr Haus sprach. Obwohl es noch keine offiziellen Informationen über die Motive des Mordes gibt, kursieren zahlreiche Gerüchte. Von manchen wird der Mord an Mehrdschui und Mohammadifar mit den sogenannten politischen Kettenmorden in den 1990er Jahren verglichen, denen Dutzende kritische Intellektuelle und Politiker zum Opfer fielen.

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1 Kommentar

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  • "Obwohl es noch keine offiziellen Informationen über die Motive des Mordes gibt, kursieren zahlreiche Gerüchte. Von manchen wird der Mord an Mehrdschui und Mohammadifar mit den sogenannten politischen Kettenmorden in den 1990er Jahren verglichen, denen Dutzende kritische Intellektuelle und Politiker zum Opfer fielen."



    Vorsicht bei Gerüchten und Terror, auch aktuell in Brüssel, Quote allein ist nicht alles.



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    "Warnen und warnen lassen



    Wenn Journalisten nicht wissen, was los ist, gibt es imnmer noch jemanden, den sie fragen können: den Experten, gerne auch den Terrorexperten."