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Regisseur Lars-Ole Walburg"Eine kitschiges Plädoyer für Freundschaft"

Intendant und Regisseur Lars-Ole Walburg über seine "Silbersee"-Inszenierung in Hannover, über zeitlose Märchen und menschliche Rücksichtslosigkeiten.

Erst Feind, dann Freund: Severin und Olim aus dem Wintermärchen "Der Silbersee". Bild: Katrin Ribbe
Interview von Ulrich Fischer

taz: Herr Walburg, "Der Silbersee" von Georg Kaiser und Kurt Weill, sei, so schreibt Ihr Pressereferat, eine "Schauspieloper". Was denn nun, Schauspiel oder Oper?

Lars-Ole Walburg: Eben beides. Es gibt das Stück des expressionistischen Autors Georg Kaiser, und Kurt Weill hat dazu eine Oper komponiert. Für die Umsetzung braucht man ein mittelgroßes Orchester. Das mag ein Grund dafür sein, dass "Der Silbersee" seit seiner Uraufführung im Jahr 1933 nur selten seinen Weg auf Schauspielbühnen gefunden hat. Kurt Weill wollte die Oper erneuern, er wollte die große Musikform mit starken und gleichberechtigten Textvorlagen zusammenbringen. Daraus resultiert dann schlussendlich der Zwitter.

Was hat Sie gereizt, den "Silbersee" ins Programm zu heben und selbst zu inszenieren?

"Der Silbersee" ist eine Herausforderung für jeden Regisseur. So etwas habe ich bislang noch nicht gemacht. Ich muss unglaublich viele Menschen über die Bühne schieben und gleichzeitig Erzählformen für Sprache und Musik finden. Das ist der äußere Reiz. Inhaltlich war ich überrascht, wie viele von den Themen des Stücks extrem heutig anmuten. Die Kombination von Zeitthemen und dem Wintermärchen empfinde ich als interessante Reibung.

Sie sprechen von einem "Wintermärchen" - eine Anspielung auf Shakespeare oder Heinrich Heine?

Das ist der tatsächliche Untertitel des Werkes: "Ein Wintermärchen". Keinerlei Anspielung von uns, da müssen Sie die Autoren fragen.

Im Interview: Lars-Ole Walburg

LARS-OLE WALBURG 45, ist Intendant beim Schauspiel Hannover. Er studierte Theaterwissenschaft und Germanistik und arbeitete danach als Redakteur beim Fernsehen. Bevor Walburg nach Hannover kam, war er Schauspieldirektor des Theater Basel.

Was wollen Sie als Regisseur besonders herauspräparieren?

Das Stück läuft über sehr einfache Mechanismen. Es macht schnell klar, wer gut und wer böse ist. Die Figuren verlangen geradezu nach derben inszenatorischen Mitteln und entziehen sich einer Psychologisierung. Da interessiert mich die Härte im Umgang untereinander, das Fehlen von Menschlichkeit. Am Ende ist der Abend ein vielleicht kitschiges Plädoyer für Freundschaft.

Welche Rolle spielt die Musik? Wie binden Sie sie in Ihre Inszenierung ein?

Die Musik begleitet das Geschehen mit scharfer politischer und ironischer Stoßrichtung, wie man es aus der "Dreigroschenoper" kennt und treibt das Format in Richtung Revue. Wir haben hier das hervorragende Orchester im Treppenhaus unter der Leitung von Thomas Posth. Der hat sowohl mit den Schauspielern als auch mit den Musikern eine tolle Arbeit gemacht. Die Aufgabe des Regisseurs ist es dann nur noch, das Ganze inhaltlich zu unterfüttern und zu choreografieren.

"Der Silbersee" wurde im Februar 1933 uraufgeführt - was ist am "Silbersee" heute, 2011, aktuell?

Märchen sind zeitlos. Menschliche Rücksichtslosigkeiten sind wohl auch zeitlos. Und ebenso die Sehnsucht danach, Mitleid und Empathie unter den Menschen einen Platz finden zu lassen. Insofern stelle ich mir die Frage der Aktualität gar nicht. Das Stück ist - wenn es gelingt - ein Kunststückchen, das sich hoffentlich einer Aktualitätsexpertise entzieht.

Wie fügt sich "Der Silbersee" in Ihren Spielplan für diese Saison ein?

Mit fast 30 Premieren haben wir ein breites Spektrum an Themen und Ästhetiken in unserem Spielplan. Darauf bin ich einerseits stolz und finde es andererseits auch notwendig für ein Theater in der Stadt. Das ist gut für die Spieler und auch für das Publikum. Die Spieler werden auf unterschiedlichsten Gebieten gefordert, und ein Zuschauer sucht sich aus, was er gucken möchte.

Sollte man sich auf den Besuch der Aufführung vorbereiten, sind Vorkenntnisse nötig?

Die Geschichte ist leicht verständlich. Und Musik spricht sowieso für sich, sie trifft ja emotional und nicht intellektuell. Mir fällt keine Vorbereitungsnotwendigkeit ein.

Die dramatischsten Ereignisse unserer Tage führen gerade arabische Ensembles auf einer ziemlich großen nordafrikanischen Bühne auf - wie müsste, sollte, könnte das Theater darauf reagieren?

Wir versuchen im Spielplan ein großes Spektrum von uns wichtig erscheinenden Themen auf die Bühne zu bringen. Die Weltpolitik werden wir damit nicht einholen und sollten es auch nicht ansatzweise versuchen. Wenn aber ein Wendland-Projekt am Anfang unserer jetzigen Spielzeit mit der tagespolitischen Aktualität aufeinander trifft, war der lange vorher gehegte Gedanke richtig. Er entspringt aber eher einem Bauchgefühl und keinem Kalkül. Insofern sollten die Theater auf ihren Bauch hören und kein Sicherheitsdenken produzieren wollen. Dafür werden wir nicht bezahlt.

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