piwik no script img

Regionales Sprachgesetz in SpanienKinos streiken wegen Katalan-Pflicht

Montags ist in Spanien Kinotag. Mit besonderen Eintrittspreisen soll das Publikum gelockt werden. In ganz Spanien? Nein. In Katalonien fällt der Kinotag diese Woche aus.

Ob dieses Kino in Barcelona wohl auch dunkel bleibt? Bild: Javier – CC-BY

Mehr als 80 Prozent der katalonischen Kinos streiken gegen ein neues Gesetz der Regierung der Autonomen Region im Nordosten Spaniens. Diese hat ein Kinogesetz erlassen, das nur schwer einzuhalten ist: Die Hälfte aller gezeigten ausländischen Filme müssen künftig in der Regionalsprache Katalanisch synchronisiert oder untertitelt sein. Als Tag der Protestaktion wurde der 1. Februar gewählt. Denn heute wird unter großem Presserummel der Gaudí-Preis der Katalanischen Filmakademie verliehen.

"Das Gesetz ist eine Apocalypsis Now", beschwert sich der Sprecher der Vereinigung der Kinobesitzer, Camillo Tarrazón. Bisher seien gerade einmal 2 Prozent der gezeigten Filme auf Katalanisch. Die restlichen Produktionen werden auf Spanisch oder mit spanischem Untertitel verliehen und so gezeigt. Tarrazón fürchtet um seine Einnahmen. Bereits jetzt würden viele Säle rote Zahlen schreiben. Eine gesetzliche Bestimmung, in welcher Sprache die Filme vorgeführt werden müssen, würde den Filmvertrieb verteuern. Der Kinoverband rechnet außerdem mit dem Verlust der Hälfte der Zuschauer. Denn Spanisch können in Katalonien alle, Katalanisch nur etwa jede Zweite.

Nicht nur mit dem Filmgewerbe legt sich die katalanische Regierung - eine Koalition aus den auch in Madrid regierenden Sozialisten, Postkommunisten und radikalen Nationalisten - an. Auch wer ein Geschäft hat, muss alles auf Katalanisch anschreiben. So sehen es Bestimmungen zum Verbraucherschutz vor. Wer dem nicht nachkommt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Alleine im vergangenen Jahr wurden 870 Unternehmen angezeigt. Gegen 209 wurde eine Strafe verhängt. Insgesamt nahm die Regionalregierung so 208.200 Euro ein. "Von anonym" steht auf den Bescheiden meist unter "Anzeige eingereicht" vermerkt. So mancher Nationalist scheint seine Abendspaziergänge zu nutzen, um die Geschäfte und Kneipen in seinem Umfeld auf deren Sprachgewohnheiten hin zu überprüfen.

Ein neues Verbraucherschutzgesetz wird die Sprachbestimmungen gar noch verschärfen. Künftig müssen Einzelhandel und Gastronomie Karten, Verträge, Rechnungen und Werbung auf Katalanisch ausstellen. Zudem müssen die Kunden in beiden Sprachen bedient werden. Wer dem nicht nachkommt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro rechnen.

Am Samstag demonstrierten in Barcelona mehrere hundert Anhänger nichtnationalistischer Parteien "Für ein Katalonien in Freiheit" und "Gegen die linguistischen Bußgelder". Sie berufen sich auf die spanische Verfassung. Darin steht geschrieben, dass in Regionen mit einer eigenen Sprache neben dem allgemein als Spanisch bezeichneten Kastilischen auch die Regionalsprache offizielle Amtssprache ist. Von einer Ausschließlichkeit ist ebenso wenig die Rede wie vom individuellen Zwang zur Zweisprachigkeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • MJ
    Martin J. Schuster

    Supi wie Frau Ulrich die taz bei ihrem Antifaschismus packt und so wild schüttelt, dass sogar ein Kritik an der "Veroeffentlichung eines so ignoranten Kommentars (Herr Schmilz)" dabei herauskommt.

     

    Das ganze Ärgernis der katalanischen Situation sieht man daran, wie Menschen wie Frau Ulrich, die sicher gutem Willens sind, auf nationalkatalanische Linie gebracht werden, sobald sie in Katalonien landen. Und so ist Frau Ulrichs Kommentar ein Beispiel der Ideologisierung der Debatte in Katalonien, denn sie gibt hier einige der Parolen wieder, die ihr vor Ort eingetrichtert wurden.

  • NU
    Natalie Ulrich

    Wuerde man denn Daenen, deren Sprache weniger verbreitet ist als das Katalanische, auch als "tumbe Nationalisten" bezeichnen, lediglich weil sie Filme auf daenisch sehen wollen? Katalanisch ist eine Sprache, kein Dialekt, dem Spanischen ungefaehr so aehnlich wie das Franzoesische dem Italienischen.

     

    Deutsche haben Nationalismus gegenueber ein historisch berechtigtes Vorurteil; es faellt anscheinend schwer zu verstehen, dass rechtskonservatives Gedankengut durchaus - wie in Spanien der Fall - gegen nationalistische Tendenzen gerichtet sein kann. Die Auswirkungen der Franco-Diktatur sollten von einer so ausdruecklich anti-faschistischen Zeitung doch ein bisschen differenzierter und weniger ignorant dargestellt werden! Haben "Kulturen" nur ein Recht auf Verwirklichung in staatlich organisierter Form? In Belgien oder der Schweiz waere die kulturelle Diktatur einer Sprache undenkbar, auch wenn die meisten Flamen franzoesisch verstehen...unverstaendlich auch die Veroeffentlichung eines so ignoranten Kommentars (Herr Schmilz), der sich nicht erbloedet das Problem der Kurden mit dem der Bayern (welches Problem????!) zu vergleichen.

    Mit enttaeuschten Gruessen aus Barcelona

    Natalie Ulrich

  • R
    RoRo

    Zusatz:

     

    Warum wird nur so kurz auf die Sache mit den Kinofilmen eingegangen?

     

    Und warum wird die Aussage von Torrazón "Das Gesetz ist eine Apocalypsis Now", die im Original sicher nicht auf Deutsch stattgefunden hat, mit "Apocalypsis" wiedergegeben? Soweit ich weiß, lautet der Filmtitel, auf den hier verwiesen wird "Apocalypse Now".

  • R
    RoRo

    Ganz kurzer Kommentar zur Nomenklatur:

     

    die Region heißt Katalonien (mit O),

    das Adjektiv dazu katalanisch (mit A) und

    die Sprache Katalanisch (mit -isch, sowie alle europäischen Sprachen).

     

    Katalan gibt's nicht im Deutschen, nur weil's im Englischen und im Spanischen existiert.

  • HS
    Herrn Schmilz

    Das Problem der Katalanen ist genau wie das Problem der Kurden, der verschiedensten Plattsnacker, der Kärntner, der Südtiroler, der Tiroler, der Bayern, und von vielen vielen Anderen kein Problem der Kinossynchronisierung oder überhaupt der Sprache.

    Sich an der Sprache aufzureiben wenn es eigentlich ganz andere Dinge sind die wichtig wären zeigt nur, wie hilflos und verbohrt tumbe Nationalisten selbst den berechtigten Anliegen lokaler Eingeborener gegenüberstehen.

    Noch dem unauffälligsten Rotbackenpfeifdrüsling wird ein zurecht besonders geschütztes Flora-Fauna-Habitat zugebilligt, noch den entferntesten Blasrohrstämmen bringt man zurecht Verständnis entgegen sofern sie sich als Separatisten um den Erhalt ihrer kulturellen Regenwaldheimat zur Not auch terroristisch oder kriegerisch kümmern.

    Weder in Garmisch oder Rottach-Egern, noch gar in München-Giesing würden sich Lokalpatrioten jemals trauen, den bayerischen Eingeborenen bei Wohnungsvergabe, Jobvergabe oder Strassenbenutzung den für ihren Fortbestand als nennenswerte Gruppierung unbedingt nötigen Vorrang vor den nicht dort eingeborenen einzufordern.

    Die Katalanen haben recht.

    Die erste Muttersprache ist dabei allerdings höchstens ein Erkennungsmerkmal und die Synchronisier-Quote natürlich eine Farce.

    Die lokale Verteilungspolitik ist das entscheidende, um bedrohten kulturellen Gruppen in ihrem angestammten Lebensumfeld Chancen zu erhalten oder zu eröffnen.

  • A
    Albahar

    "Denn Spanisch können in Katalonien alle, Katalanisch nur etwa jede Zweite." Klein Kommentar dazu: es ist falsch. 94,6 % der Katalanen verstehen Katalanisch, 78,3 % können es sprechen (offiziele Daten, Jahr 2008). Das Problem besteht nicht darum, dass die Hälfte der Bevölkerung kein Katalanisch könnte, sondern dass die Nutzung der verfügbaren Sprachen in Zweisprachigegesellschaften immer unterschiedlich ist. Bei uns geht fast keiner ins Kino einen auf Katalanisch gesprochenen Film zu sehen, auch wenn man Katalanisch kann und sogar im alltäglichen Leben überwiegend Katalanisch spricht.So geschiet es auch mehr oder weniger beim Bücherlesen, nicht aber beim Zeitunglesen, Radiohören oder Fernsehen, usw.

     

    Ich füge ein Link hinzu, für die, die genauere Information haben möchten und für den Author dieses Beitrages (Statistiken, Karten, "Diagramas", usw., auf Katalanisch): http://www20.gencat.cat/portal/site/Llengcat/menuitem.b318de7236aed0e7a129d410b0c0e1a0/?vgnextoid=d5349cede4c43210VgnVCM1000008d0c1e0aRCRD&vgnextchannel=d5349cede4c43210VgnVCM1000008d0c1e0aRCRD&vgnextfmt=default

     

    Zuletzt eine kleine Frage: ist diese Frage wichtiger als den Vorschlag der spanischen "sozialistischen" Regierung, das Rentenalter bis dem 67 Lebensjahr zu verlängern? Identitätsfragen (und Fussball) werden hier von den politischen Milieu als "Rauchvorhang" (?)benutzt, um vom Sozialabbau abzulenken. Leider, die Ausländer (auch ausländische Zeitungen)scheinen auch viel mehr Interesse daran zu haben.

     

    Viele Grüsse aus Barcelona.