Regionaler Konflikt: Syriens Krieg erreicht den Irak
Nach der Flucht von syrischen Soldaten ins Nachbarland kommen bei einem Angriff auf ihren Konvoi 57 Personen ums Leben.
BERLIN/ISTANBUL taz | Bei einem bewaffneten Angriff auf einen Konvoi mit syrischen Soldaten im Westirak sind am Montag 48 Syrer und neun Iraker getötet worden. Der Vorfall ereignete sich in der Provinz Anbar, die westlich von Bagdad liegt, in der Nähe der Stadt Al Rutbah.
Nach Angaben irakischer Offiziere wurde die Autokolonne von zwei Seiten mit Mörsergranaten, automatischen Waffen und Minen angegriffen. Dies weist auf eine geplante Tat hin. Zunächst war nicht bekannt, wer für den Überfall verantwortlich ist. In Bagdad war von „syrischen Terroristen“ und Al-Qaida im Irak die Rede.
Am Wochenende hatten sich 65 syrische Soldaten und Amtsträger über den nordostsyrischen Grenzübergang Jarubia in den Irak abgesetzt, nachdem Rebellen den Ort erobert hatten. In Jarubia unterstellten sie sich den irakischen Behörden, die sie dann zurück nach Syrien bringen wollten.
Der Überfall erfolgte in der sunnitischen Provinz Anbar
Offiziellen Angaben zufolge wurde die Gruppe über Bagdad in Richtung des Grenzortes Al Walid im Südwesten des Irak gebracht und dort überfallen. Zwischen Bagdad und der Grenze zu Syrien erstreckt sich die Provinz Anbar, in der haupsächlich Sunniten leben. Nach dem Irak-Krieg von 2003 war die Region eine Hochburg des bewaffneten Widerstandes gegen die US-Besatzung.
Bereits am vergangenen Wochenende war bei den Kämpfen um Jarubia ein irakischer Soldat durch einen Querschläger aus Syrien verletzt worden. In der Nähe eines Weilers schlug eine Granate ein.
Unklar ist, welche Rolle die irakischen Soldaten in dem Konflikt spielen. Syrische Aufständische werfen den Irakern vor, als Handlanger von Baschar al-Assad zu operieren und ihre Stellungen zu beschießen. Dabei seien am Samstag sieben ihrer Kämpfer getötet und 13 weitere verletzt worden, sagte Adnan al-Najjar, ein örtlicher Rebellenkommandant. Ein Korrespondent von al-Arabia berichtete, irakische Soldaten hätten die Rebellen mit schwerem Geschütz unter Feuer genommen und Scharfschützen auf Gebäuden an der Grenze positionier. Unter Berufung auf Augenzeugen stieß die oppositionelle Website All4Syria ins gleiche Horn. Das irakische Verteidigungsministerium dementierte die Berichte jedoch.
Seit Wochen gibt es Proteste gegen Regierungschef Maliki
Offiziell bemüht sich die schiitisch dominierte Regierung des Irak um eine friedliche Lösung des Bürgerkriegs in Syrien. Sollte der Konflikt nicht durch einen Dialog friedlich gelöst werden, sehe er kein Licht am Ende des Tunnels, sagte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki diese Woche in einem AP-Interview. Das Gefährlichste wäre ein Sieg der syrischen Opposition, so Maliki: „Dann wird es zum Bürgerkrieg im Libanon kommen, zu Spaltungen in Jordanien und zu einem konfessionellen Krieg im Irak.“
Viele Sunniten in Iraks Grenzgebieten mit Syrien unterstützen den überwiegend von den Sunniten getragenen syrischen Aufstand. Seit Wochen protestieren sie gegen die Regierung von Maliki. Seinen Syrien-Kurs sehen sie als Versuch, nicht nur die Lebenszeit des Assad-Regimes zu verlängern, sondern auch sie selbst unter der Knute zu halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!