■ Regierungsumzugsheuchelei: Spartanische Hütten
Eines muß man den Hauptstadtplanern in Bonn lassen: Für den Sitz im Parlament gehen selbst sie in Sack und Asche. Und heucheln Bescheidenheit. So beschloß der Haushaltsausschuß des Bundestages, daß alle vom Rhein an die Spree umziehenden Minister sich mit Altbauten begnügen müssen. Gestrichen wurde auch der Neubau für das Bundespresseamt. Lediglich ein paar Parlamentshütten und das Kanzleramt dürfen hochgezogen werden. Der Beschluß im Wahljahr 1994 scheint alle herrischen Ansprüche von 1993 auf den Kopf zu stellen. Damals wollte man nicht in sozialistische Hauptstadtablagerungen umziehen. Statt der lange eingeforderten Luxusherbergen auf Filetgrundstücken stehen nun plasteverseuchte Ostgemeinheiten auf der Umzugsliste. Die Verbannung in den Hinterhof gilt auch für das Außenamt, das sich eine spartanische Bude suchen muß. Der Bescheidenheitsbeschluß ist unredlich, behalten sich doch die Parlamentarier das Baurecht vor, die Ministerien und Verwaltungen aber werden populistisch auf kommunale Quartiere gejagt. Zudem kommt die Einsicht drei Jahre zu spät, sie hätte der Stadt mehr Impulse gegeben als alle Investorenschwüre. Auch die Entwürfe der durch Wettbewerbe gehetzten Architekten werden nun von der Geschichte zerrieben. Das ist in einigen Fällen bedauerlich, bleiben doch Rudimente und Solitäre. Eine frühere Korrektur des idealen Hauptstadtbildes hätte dies vielleicht verhindert. Rolf Lautenschläger
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