Regierungssprecher Steg macht Wahlkampf: Merkel verliert ihren Lieblingssozi
Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg will Wahlkampf für die SPD machen. Die Kanzlerin lässt ihn nur ungern gehen.
Thomas Steg kann dezent andeuten, mit Tonlagen spielen, mit vielen Worten mal wenig sagen und natürlich schweigen. All das ohne dabei plump zu wirken. Steg, der Psychologie studiert hat, versteht sich auf die Tricks, die Regierungssprecher beherrschen müssen. Und er muss sie wohl besser können als andere Regierungssprecher. Denn er spielt seit dreieinhalb Jahren eine heikle Rolle: Er ist Sozialdemokrat und stellvertretender Regierungssprecher - Merkels Sprecher. Er macht diesen Job so gut, dass ihn in der SPD manche für einen Verräter gehalten haben.
Steg wird ab Mitte Juli bis zur Wahl von seinem Job als Merkels Vertrauter beurlaubt. Und Wahlkampf für die SPD machen. Genauer - für Steinmeier. Merkel will ihren Lieblingssozi offenbar nur ungern gehen lassen. Zwei Nachfolger, die ihr die SPD vorschlug, den Sprecher des Verkehrsministers Rainer Lingenthal und Steinmeiers Büroleiter Stephan Steinlein, hat sie, wie man hört, abgelehnt. "Am Freitag", so Steg, "soll aber alles klar sein."
Nicht nur die Kanzlerin schätzt Stegs diskreten, gleichzeitig diskussionsoffenen Stil - offenbar braucht ihn, gerade nach der verlorenen Europawahl, auch der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Steg stammt, wie Steinmeier, aus Gerhard Schröders Umfeld. Er war in den 90er-Jahren Pressesprecher der SPD in Niedersachsen, später Steinmeiers Stellvertreter als Kanzleramtschef. Steg gehört zur Niedersachsen-Connection, die zentrale Posten in der SPD innehat. Dazu zählen, neben Steinmeier, Generalsekretär Hubertus Heil und der parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann.
Welche Rolle Steg in der "Nordkurve" genannten SPD-Wahlkampfzentrale genau spielen wird, ist noch nicht geklärt. Er soll die Medienkommunikation für Steinmeier machen - ob neben oder über dem Ex-Spiegel und Bild-Journalisten Uli Deupmann war nicht zu erfahren. Wahlkampfchef bleibt Franz Münteferings Vertrauter Kajo Wasserhövel, der den aggressiven, aber wenig erfolgreichen Europawahlkampf organisierte.
Die Idee, dass Steg für die SPD Wahlkampf machen soll, gibt es in der SPD schon länger. Doch angesichts konstant mieser Umfragewerte und der Niederlage bei der Europawahl wirkt Stegs Berufung wie der Griff zur Notbremse. Offenbar soll er dafür sorgen, dass künftig weniger Fehler passieren. Die kreiden manche in der SPD-Spitze Parteichef Franz Müntefering an. Vor der Europawahl kündigte dieser vollmundig ein Wahldesaster der Union an. Nach der SPD-Niederlage bei der Europawahl verkündete Müntefering, die SPD habe alles richtig gemacht, und klagte über zu wenig Solidarität in der Gesellschaft - was knapp vor der Wählerschelte war. Zudem erklärte Müntefering nach der Opel-Rettung forsch, dass nun Arcandor dran sei - eine flotte Ansage, die in der SPD nur wenige teilten. Solche Flops soll es nicht mehr geben.
Steg, der Sozialdemokrat, dem Merkel traut, verkörpert die große Koalition. Dass er nun im SPD-Wahlkampf eine Rolle spielt, zeigt wohl, dass Steinmeier neben Münteferings Attacken im Wahlkampf noch eine andere, moderatere Tonlage will. Eine, die zur großen Koalition passt.
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