Regierungsbildung in Tunesien: Ben Alis Partei ohne Politbüro
Mehrere Minister verlassen die RCD, ein weiterer tritt zurück. Die erste Sitzung des Kabinetts findet unter anhaltenden Protesten statt. 33 Familienangehörige von Ben Ali wurden verhaftet.
TUNIS afp/rtr | Die Führungsspitze der früheren tunesischen Regierungspartei RCD des gestürzten Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali hat sich aufgelöst. "Wegen der Rücktritte mehrerer Mitglieder des Politbüros wird das Gremium aufgelöst", zitierte die amtliche tunesische Nachrichtenagentur am Donnerstag aus einer Mitteilung der Partei. Um "die laufenden Geschäfte" der Partei kümmere sich ab sofort ihr Generalsekretär Mohammed Ghariani.
Einem Fernsehbericht zufolge verließen auch alle Minister der Übergangsregierung die Partei. Ein enger Vertrauter des gestürzten Diktators, Zouhair M'Dhaffer, legte sein Amt nieder. Er gilt als Architekt der Verfassungsreform von 2002, die die Begrenzung der Amtszeit von Ben Ali aufhob. Er ist der fünfte Minister, der seit Regierungsbildung am Montag zurücktritt. Am Nachmittag kam das Kabinett zu seiner ersten Sitzung zusammen.
Die Proteste gegen die Zusammensetzung der neuen Regierung hielten auch am Donnerstag an. In der Hauptstadt Tunis gab die Polizei Warnschüsse ab, um eine Demonstration mehrerer hundert Regierungsgegner aufzulösen. In der 350 Kilometer südlich gelegenen Stadt Gafsa versammelten sich bis zu 4.000 Demonstranten, wie Organisatoren berichteten. Sie forderten den Rücktritt aller Minister, die mit dem inzwischen geflohenen Ben Ali zusammengearbeitet haben.
In den vergangenen Tagen wurden nach einem Fernsehbericht 33 Familienangehörige Ben Alis festgenommen. Gegen sie soll eine Untersuchung eingeleitet werden. Die Namen der Festgenommenen und der Grad ihrer Verwandtschaft mit Ben Ali wurden nicht genannt. Der Sender zeigte zahlreiche Schmuckstücke, Uhren und internationale Bankkarten, die bei der Festnahme der Ben-Ali-Angehörigen beschlagnahmt worden seien.
Die tunesische Justiz hatte am Mittwoch ein Ermittlungsverfahren gegen Ben Ali und seine Familie wegen illegaler Aneignung von Gütern, widerrechtlicher Finanztransaktionen ins Ausland und illegaler Ausfuhr von Devisen eingeleitet. Die Europäische Union wollte nach Angaben ihrer Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag über gemeinsame Maßnahmen zum Umgang mit Vermögenswerten Ben Alis und seines Umfelds beraten.
Deutschland und Frankreich hatten bereits Unterstützung für Kontensperrungen angekündigt. Die Schweizer Regierung fror mögliche Konten Ben Alis und seines Umfelds am Mittwoch ein.
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