: Regierung verteidigt Monopol
NRW-Finanzminister Linssen will das althergebrachte, staatliche Monopol auf Sportwetten erhalten. Kein Kommentar von der liberalen FDP. Private Wettanbieter setzen auf EU und Verfassungsgericht
VON MARTIN TEIGELER
NRW-Finanzminister Helmut Linssen kämpft für ein Monopol. Der CDU-Politiker hat sich gegen eine Liberalisierung des staatlichen Vorrechts auf Sportwetten ausgesprochen. „Die Kanalisierung und Begrenzung des Spieltriebes sind vornehme Aufgaben des Staates“, sagte der Minister am Mittwoch anlässlich eines Festaktes zum 50-jährigen Bestehen der Westdeutschen Lotteriegesellschaft in Münster. Gerade angesichts der vorhandenen Suchtgefahr bei Glücksspielen müsse die Sportwette in staatlicher Hand bleiben: „Die Grundidee der sozialen Marktwirtschaft beinhaltet ja gerade die Regulierung des Marktes genau dort, wo seine Marktergebnisse zu sozialen und gesellschaftlichen Missständen führen würden.“
„Das ist leider die altbekannte Position der Politik“, sagt Norman Albers, Vorsitzender des Deutschen Buchmacherverbandes mit Hauptsitz in Essen. Die privaten Wettanbieter setzen bei ihrem Kampf gegen das Monopol längst nicht mehr auf die Regierenden, sondern auf die Justiz. „Es wird Zeit, dass Karlsruhe das entscheidet“, so Albers. Am 8. November erörtert das Bundesverfassungsgericht eine mögliche Lockerung des staatlichen Wettmonopols. Ein höchstrichterliches Urteil könnte Klarheit schaffen in der rechtlichen Grauzone zwischen Monopol, halblegalen Wettbüros und Internet-Buchmachern.
Die Gegner des Monopols pochen auf EU-Recht. Laut Artikel 49 des EG-Vertrag sind nämlich allen Bürgern in der Europäischen Union Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit garantiert. Ein Wettmonopol passt nicht zu diesem Grundrecht, weshalb seit Jahren vor deutschen Gerichten dagegen geklagt wird. Doch mit widersprüchlichen Urteilen haben die Richter zuletzt nur Konfusion erzeugt, während im Ausland (siehe Kasten) das Geschäft floriert.
Nachdem Wetten und Glücksspiele insgesamt in Deutschland seit der frühen Neuzeit von kirchlichen und staatlichen Würdenträgern bekämpft wurden, entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine deutsche Sonderform der Sportwette: das (Fußball-)Toto. Verwaltet von den öffentlichen Lottogesellschaften durften Fußballfans ihrer Spielleidenschaft unter strenger Aufsicht frönen. Mittlerweile heißt die Fußball-Wette nicht mehr Toto, sondern Oddset und wird von der „Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern“ betrieben. Oddset beschert dem Staat satte Einnahmen. Mit dem Wettgeld finanzieren die Landesregierungen Aufgaben, die sie aus dem üblichen Steuertopf nicht mehr bezahlen können. So erhält der Deutsche Sportbund Jahr für Jahr dreistellige Millionensummen. Allerdings sind die Oddsett-Einnahmen seit einiger Zeit rückläufig – viele Sportfans wetten lieber im Internet bei ausländischen Anbietern. Denn die bieten bessere Gewinnquoten.
Die Abschottung des deutschen Marktes zu caritativen Zwecken ist umstritten. Oddset und den dahinter stehenden Bundesländern gehe es „primär um die Sicherung von staatlichen Einnahmen, welche außerhalb der regulären Landeshaushalte in Gutsherrenmentalität verteilt werden“, heißt es etwa in einer Mitteilung des privaten Anbieters Digibet. Die Buchmacher am freien Markt fühlen sich in Deutschland kriminalisiert.
Neben dem staatlichen Anbieter Oddset dürfen lediglich in Ostdeutschland drei private Wettbüros operieren – ausgestattet mit alten DDR-Lizenzen. In NRW gelten diese Ausnahmeregelungen nicht, weshalb zahlreiche Städte rigoros gegen „illegale“ Buchmacher vorgehen und diese mit Berufung auf das staatliche Wettmonopol verfolgen.
Die NRW-Landesregierung scheint an dieser Position festzuhalten. CDU-Finanzminister Linssen richtete in seiner Münsteraner Festrede eine Warnung an „illegale Anbieter“. Diese hielten „den Glücksspielmarkt längst für liberalisiert und sehen die öffentliche Hand auf verlorenem Posten“, so Linssen. „Noch ist aber die Rechtslage keineswegs geklärt und es gibt für mich keinen Grund, von aus Überzeugung vertretenen Prinzipien vorschnell abzurücken.“ Auch der Koalitionspartner scheint dies so zu sehen. Auf taz-Anfrage war gestern von der wirtschaftsliberalen FDP kein Kommentar zum Monopol zu bekommen.