: Regierung geht, Fluglärm bleibt
Die Koalition begräbt wichtige Gesetzesnovellen. Andere Projekte werden noch für den Wahlkampf aufgehübscht, bevor die Opposition sie im Bundesrat kippt oder durch Verzögerung killt. Steuersenkungen so unklar wie die Vertrauensfrage
VON ULRIKE WINKELMANN
Die rot-grüne Koalition hat gestern offiziell mit dem Begräbnis ihrer Gesetzesvorhaben begonnen. Nach einer „routinemäßigen“ Sitzung des Koalitionsausschusses erklärte SPD-Chef Franz Müntefering, das Fluglärmgesetz und das Verkehrswegegesetz seien „ohne Aussicht“, ihren Weg durch die Legislative zu finden.
Der Zweck des Fluglärmgesetzes wäre gewesen, lärmgeplagte Anwohner rings um Flughäfen wenigstens zu entschädigen. Das Verkehrswegegesetz hätte dazu gedient, den Straßen- und Schienenbau zu beschleunigen.
Andere Gesetzespakete will die Koalition „weiter vorantreiben“, sagte Müntefering. Dazu gehören etwa das Antidiskriminierungsgesetz, das Energieeffizienzgesetz oder das Entsendegesetz für Mindestlöhne in Einzelbranchen. „Vorantreiben“ heißt jedoch bloß, dass Rot-Grün die Entwürfe wahlkampfwirksam einbringen will – aber nicht mit Zustimmung der Union im Bundesrat zu rechnen braucht.
Das Antidiskriminierungsgesetz etwa will Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel selbst in einer Form verabschieden lassen, die der EU-Richtlinie entspricht. Dies hat sie bereits angekündigt. Tot ist damit die erweiterte Version, um die bei Rot-Grün seit 1998 gefochten und für die unendliches Papier beschrieben wurde.
Auch wo die Zustimmung nicht nötig ist, wie bei der Offenlegung der Politiker-Nebeneinkünfte, kann die Opposition im Vermittlungsausschuss auf die Verfahrensbremse gehen und die Pläne bis zur Bundestagsneuwahl killen. Die Offenlegung der Managergehälter hat die FDP gestern versprochen abzuwenden: Sie will einen Antrag in den Bundestag einbringen, der das Verfahren ebenfalls bis zum 18. September verzögert.
In rätselhaften Anspielungen ergingen sich Müntefering und auch die Grünen-Chefin Claudia Roth gestern, was die Mitte März vom Kanzler angekündigte Unternehmen- und Erbschaftsteuerreform angeht. „Es wird ein schwieriger Prozess sein“, für die angepeilte Steuersenkung eine Gegenfinanzierung „in den Ausschüssen zu sichern“, sagte Müntefering. „Wir bringen die Punkte auf den Weg, aber sind nicht sicher, wohin er dann letztendlich führen wird“, sagte Roth.
Beide deuteten an, dass die Steuersatzsenkungen eher an der Unionsblockade im Bundesrat scheitern würden als an den Grünen. Zuletzt hatte der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber (CSU) im Bundesrat am vergangenen Freitag das Regierungskonzept zu den Unternehmenssteuern „inakzeptabel“ genannt: Damit werde allenfalls die Hälfte der Steuerausfälle von 5,2 Milliarden Euro gedeckt.
Genau dieses Problem treibt jedoch nach wie vor die Grünen und die SPD-Linke um. Deren Finanzpolitiker erklärten gestern der taz, sie würden die Körperschaftsteuersenkung und den Steuererlass bei Betriebsvererbungen nur „sauber gegenfinanziert“ aus den Ausschüssen in den Bundestag zurückgeben. Die Vorlagen, die morgen in den Bundestag eingebracht und am Freitag im Finanzausschuss verhandelt werden, reichen ihnen so wenig wie der Union.
Die Steuersatzsenkungen können also ebenso gut im Ausschuss wie im Bundesrat hängen bleiben. Oder der Bundeskanzler verknüpft sie doch mit seiner Vertrauensfrage am 1. Juli. Hierüber möchte er sich ja bis dahin in Schweigen hüllen. Die Zeit kann Rot-Grün weiter mit Gesetzgebungsimitation füllen.