Regenbogenflagge: Fahnenstreit in Reinickendorf

Die Bezirksbürgermeisterin will die Regenbogenflagge am CSD nicht hissen: "Was, wenn die NPD käme?" Der Schwulenverband fordert ihren Rücktritt, die Opposition eine Entschuldigung

Die Regenbogenflagge käme Marlies Wanjura nie ins Haus. Vielmehr: ans Haus. Seit Jahren weigert sich die CDU-Bezirksbürgermeisterin, die bunte Fahne kurz vor dem Christopher Street Day an den Rathausturm zu hängen, wie es die anderen Bezirke als Zeichen der Solidarität tun. In der vergangenen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung begründetete Wanjura dies so: "Das ist ein politisches Zeichen. Was, wenn die NPD käme und auch eine Fahne hissen möge?"

Ihre Einlassung am 11. Juli, kürzlich veröffentlicht in dem Bezirksblatt Nord-Berliner, sorgt nun im beschaulichen Reinickendorf für Aufregung. Und darüber hinaus. "Egal, welche Position man zum Flagge hissen haben mag, eine solche Gleichsetzung ist unerträglich", sagt Alexander Zinn, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg. "Frau Wanjura ist offenbar jeglicher politischer Verstand abhanden gekommen. Weiß sie eigentlich, dass die NPD regelmäßig gegen Schwule und Lesben hetzt?"

Wanjura selbst weilt seit einer Woche im Urlaub und war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Das Plenarprotokoll der Sitzung liegt noch nicht vor. Dass ihre Sätze so gefallen sind, wird jedoch von Mitgliedern mehrerer Fraktionen bestätigt. "Das war ein verbaler Schnellschuss, für den sie sich schnell entschuldigen muss", sagt Thorsten Koch, Vize-Fraktionschef der SPD. Sein FDP-Kollege Andreas Vetter urteilt: "Sie sollte ihren Vortrag überdenken und zurücknehmen. In Ländern wie Russland oder Polen machen Rechtsextreme regelrecht Jagd auf Schwule und Lesben."

Dem LSVD reicht eine Entschuldigung nicht aus. "Eine Politikerin, die sich so im Ton vergreift, muss zurücktreten", fordert Zinn. Der Vergleich ist nur der Höhepunkt eines alten Streits. Das Bezirksamt im CDU-dominierten Reinickendorf blockt seit Jahren das Hissen der Regenbogenflagge ab. Am 23. Juni wehte es über allen Rathäusern bunt, nur Spandau und Wanjuras Bezirk zogen nicht mit.

Die Bezirksparlamentarier erregt vor allem, dass die Bürgermeisterin ein anderslautendes demokratisches Votum ignoriert. Denn SPD, Grüne, FDP und die Grauen Panther beschlossen in ebenjener Sitzung gegen die Stimmen der CDU, dass der Bezirk ab dem nächsten Jahr für Schwule und Lesben Flagge zeigen werde. Formal handelt es sich dabei aber nur um ein Ersuchen an das Bezirksamt, nicht um einen bindenden Beschluss. Und Wanjura hat angekündigt, dieses zu ignorieren. "Es ist guter demokratischer Brauch, sich an Willensbekundungen der BVV zu halten", sagt Vetter. "Keine rechtlichen Argumente sprechen gegen die Fahne, es ist eine rein politische Entscheidung."

Beim Flaggenhissen ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es ist nicht das einzige Problem Wanjuras. Beim millionenteuren Ausbau des Borsighafens zum Industriehafen könnte die Bezirksbürgermeisterin Fehler bei den Verhandlungen mit einem Investor gemacht haben, der Rechnungshof und das Bezirksamt prüfen jetzt die Angelegenheit. SPD-Mann Koch sagt: "Die Luft ist dünner geworden für Frau Wanjura."

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