Reformen in Kuba: Reisefreiheit für alle?
Die KP veröffentlicht neue Leitlinien zu den Reiseerlaubnissen. Sie sorgen für Debatte und Hoffnung unter den KubanerInnen, haben aber einen Haken.
BERLIN taz | "An freies Reisen für Kubaner glaube ich erst, wenn ich es Schwarz auf Weiß sehe", erklärt Oscar Espinosa Chepe. Der Dissident, der aufgrund seines Gesundheitszustands aus der Haft entlassen wurde, würde nur zu gern ins Ausland reisen, um sich behandeln zu lassen. Zwar haben Kubas Behörden ihm im Oktober 2010 die Ausreise angeboten, aber eben ohne ihm die "Tarjeta blanca" anzubieten.
So wird auf der Insel die Reiseerlaubnis Ausland (PVE) genannt, die nötig ist, um auch wieder einreisen zu können. Diese Karte erhalten nicht nur Dissidenten, sondern auch Ärzte, Hochschulabsolventen und Regierungsmitarbeiter nicht ohne Weiteres, erklärt der Ökonom, der einst für Kubas Zentralbank arbeitete.
Die Tage der "Tarjeta Blanca" könnten allerdings gezählt sein, so wird in Havanna seit Montag spekuliert. Da sind die "Leitlinien der wirtschaftlichen und sozialen Politik der Partei und der Revolution" veröffentlicht worden und unter Punkt 265 ist der Satz zu lesen: "Eine Politik überprüfen, die es den Kubanern im Lande ermöglicht, als Touristen ins Ausland zu reisen".
Raúl Castro bringt Hoffnung
Auf der Insel hat dieser Punkt für Furore gesorgt und ohnehin ist das Interesse an den vom Parteitag beschlossenen Leitlinien groß, so Espinosa Chepe. "Unter Raúl Castro ist ein Wandel hin zu einer realistischeren Einschätzung der aktuellen Situation feststellbar", urteilt er und fährt fort: "Das sorgt für Hoffnung, auch wenn die konkreten Maßnahmen längst nicht ausreichen, um aus einer derart verfahrenen ökonomischen Situation herauszukommen."
Immerhin hat die ökonomische Krise dafür gesorgt, dass die kommunistische Partei sich ausdrücklich zu neuen Akteuren wie Selbstständigen und kleinen Genossenschaften in Kubas sozialistischer Wirtschaft bekennt. Fortschritte, die genauso wie die Kreditprogramme für die Privaten und der freie Verkauf von Autos und Immobilien auch von den Kritikern durchaus begrüßt werden. Die monieren jedoch, dass die Maßnahmen zu kurz greifen oder aber kaum zu realisieren seien. Zudem seien die Leitlinien im Bereich der Sozialpolitik unausgewogen – so stehe etwa der Abschaffung der Rationierungskarte kein Abfederungsinstrument gegenüber.
In jedem Fall haben die Leitlinien einen Haken. Sie sind nicht mehr als Zielvorgaben, und ob und wann sie in die Praxis umgesetzt werden, ist vollkommen unklar. Das gilt auch für die in Aussicht gestellten Reiseerleichterungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!