Reform des Bürgerentscheids: Bürger sollen anders entscheiden
Rot-Rot will die Regeln für Bürgerentscheide auf Bezirksebene ändern. "Mehr Demokratie" geht das nicht weit genug.
Die rot-rote Koalition will Volksabstimmungen in den Bezirken erleichtern. Dazu soll unter anderem das Quorum neu geregelt werden, ab dem ein Bürgerentscheid gilt. Die Bürger sollen außerdem frühzeitiger erfahren, ob die Abstimmung verbindlich ist oder nicht. Und schließlich soll es mehr Transparenz geben: Die Initiatoren der Bürgerentscheide müssen bei Spenden über 5.000 Euro die Herkunft veröffentlichen.
Um das Quorum zu erreichen, müssen derzeit 15 Prozent der Wahlberechtigten an einer Abstimmung teilnehmen. Dies soll durch ein Zustimmungsquorum abgelöst werden: 10 Prozent der Wahlberechtigten müssen mit Ja stimmen. Außerdem muss es natürlich auch mehr Ja- als Neinstimmen geben.
Der Verein Mehr Demokratie plädiert allerdings dafür, noch weiter zu gehen und das Quorum ganz abzuschaffen. Jede Hürde sei "undemokratisch, da Enthaltungen faktisch als Neinstimmen gezählt werden", meint Vorstandssprecher Michael Efler - bei Wahlen gebe es schließlich auch kein Quorum. "Zumindest müsste das Zustimmungsquorum aber auf 7,5 Prozent halbiert werden", fordert er.
Die rot-rote Koalition will auch das Formular überarbeiten, mit dem eine Initiative die nötigen Unterschriften für die Zulassung des Bürgerentscheids sammeln kann. Dort soll bereits stehen, wie verbindlich eine Abstimmung wäre. "Damit soll von Anfang an Transparenz hergestellt werden, ob der Bürgerentscheid bindend ist oder nur empfehlende oder ersuchende Wirkung hat", heißt es in der Gesetzesbegründung.
Diese Änderung ist eine Erfahrung aus der Mediaspree-Abstimmung in Friedrichshain-Kreuzberg. Eine große Mehrheit der Bürger votierte für die Forderung, einen 50 Meter breiten Grünstreifen entlang der Spree zu bewahren und Neubauten in der Höhe zu begrenzen. Doch viele waren überrascht und verärgert, dass der Bezirk nicht an das Votum gebunden war. Denn die Bürger können derzeit nur über die Themen verbindlich entscheiden, über die auch das Bezirksparlament entscheiden darf - und die Bauplanung für größere Gebiete kann der Senat jederzeit auf die Landesebene ziehen.
Mehr Demokratie fordert daher, dem Bezirksparlament mehr Befugnisse zu übertragen - die dann auch für die Bürgerentscheide gelten würden. "Es kann nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger in einer Abstimmung eine Entscheidung treffen, die dann ignoriert wird", meint Efler. "Das Bürgervotum muss ernst genommen werden."
Die Koalition will zudem die Initiatoren verpflichten, Spenden ab 5.000 zu veröffentlichen. "Auch auf Bezirksebene besteht das Bedürfnis, Transparenz hinsichtlich der Finanzierung eines Bürgerbegehrens herbeizuführen", heißt es in der Gesetzesbegründung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich