Reform des Arbeitsmarktes: Kurze Module statt langer Kurse
Bei der aktuellen Arbeitsmarktreform wird auch an der Weiterbildung gekürzt: Anbieter verknappen ihre Kurse - und setzen auf billige Internetseminare.
HAMBURG taz | Helga Sender sieht schwierigen Zeiten entgegen. Sie ist Geschäftsführerin der WBS Training AG in Dresden Nord, einem bundesweiten Träger, der berufliche Weiterbildung für Arbeitslose über Bildungsgutscheine anbietet. Und ihr Träger verzeichnet schon heute sehr viel weniger TeilnehmerInnen. Die Gründe liegen nicht nur in den Sparmaßnahmen, denen auch ihre Firma unterworfen ist. ArbeitsvermittlerInnen in den Jobcentern und Arbeitsagenturen vergeben auch sehr viel weniger Gutscheine.
Die schwarz-gelbe Regierung hatte sich bereits 2009 im Koalitionsvertrag für eine Reform der Arbeitsmarktpolitik ausgesprochen. Am 25. Mai hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die neuen Maßnahmen vorgestellt. Bis zu acht Milliarden Euro sollen sie bis zum Jahr 2015 einsparen. Nur noch die "effizientesten" Instrumente werden gefördert. So werden die 1-Euro-Jobs eingeschränkt und wird der Gründungszuschuss für Existenzgründer in eine Ermessensleistung umgewandelt. Aber auch die Weiterbildungsbranche ist massiv betroffen: Ihre Maßnahmen sollen flexibler auf Konjunkturschwankungen reagieren.
Arbeitsuchende sollen gezielter geschult werden - je nachdem, welche Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt gerade benötigt werden. Von der Leyen will zudem den Wettbewerb unter den Weiterbildungsträgern erhöhen. So soll die Vergabe von Weiterbildungsplätzen verstärkt im Ermessen der ArbeitsvermittlerInnen liegen. Zugleich müssen sie aber auch wesentlich stärker auf ihr Budget achten - sprich: Ihnen wird das Geld gekürzt.
Weiterbildungen nur bei Vorkenntnissen
"Im Vergleich zum Vorjahr wurden für 2011 die Mittel in der Grundsicherung um 1,3 Milliarden Euro reduziert", sagt Ilona Mirtschin, Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Schon länger werden Umschulungen nur in Ausnahmefällen genehmigt. Weiterbildungsmaßnahmen werden nur finanziert, wenn der Arbeitsuchende Vorkenntnisse aufweist.
Die Bildungsträger haben bereits auf die neuen Bestimmungen reagiert und bieten sogenannte Modulformate an. Ihre Kurse sind zwischen zwei Wochen und sechs Monate lang. So bildet die WBS Arbeitsuchende beispielsweise zum SAP-Berater aus oder gibt Sprachkurse. Neu im Angebot: Momentan unterrichten sie viele Themen über das Lernnetz, eine Methode, in der gleichzeitig Menschen in Dresden, Braunschweig oder Kiel mit einem Trainer in Echtzeit via Internet lernen. Damit hofft die Anbieterin, der neuen Situation gerecht werden zu können.
Diese Möglichkeit besitzen indes nur bundesweit vertretene Träger. Kleinere Träger verändern ihr Leistungsangebot wie das Existenzgründungsprojekt "Garage", dessen Hauptsitz in Hamburg ist. "Seit Anfang des Jahres werden keine Gutscheine mehr gewährt", sagt Frederic Breiler, Sprecher des Projekts. Statt einer halbjährigen Weiterbildung in die Selbstständigkeit bieten sie nun nur noch themenspezifischere Beratungen an und bestreiten sie mit anderen Fördermitteln und weniger freien MitarbeiterInnen.
Eine weitere Form der Qualifizierung findet in den Maßnahmen zur Aktivierung statt, die neben einem Gabelstaplerschein oder Business-Englisch verstärkt die soziale Kompetenz der Arbeitslosen fördern wollen. Diese Maßnahmen werden von den Jobcentern ausgeschrieben und eingekauft inklusive eines Bonus für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Die Teilnahme ist verpflichtend und soll die berufliche Eingliederung mit Bewerbungstraining und mitunter Fitnessangeboten fördern. Auch hier wird weniger ausgeschrieben, sagt Stephanie Chariner, Geschäftsführerin von Fits Job Konzepte in Hamburg. Sie befürchtet einen Konkurrenz- und Preiskampf, der auf Kosten lokaler Träger ausgetragen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz