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Reförmchen des IOCNur Streit über die Kaffeepause

Die IOC-Mitglieder nicken im Eiltempo die Agenda 2020 ab. Sportfunktionäre sprechen von Aufbruchstimmung. Kritiker bemängeln die fehlende Menschenrechtsdebatte.

Bei Olympischen Spielen soll es künftig mehr temporäre Bauten geben. Bild: dpa

BERLIN taz/dpa | Das Auftreten der einen oder anderen Meinungsverschiedenheit hätte man sich schon vorstellen können. Mit der Agenda 2020, die stolze 40 Reformvorschläge beinhaltet, wollte man in Monte Carlo schließlich das weltweit größte Sportereignis zukunftsfähig machen. Die Spiele sollen gemäß der Führung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) billiger, transparenter und damit auch attraktiver für künftige Kandidaten werden.

Aber die 96 IOC-Mitglieder nickten im Rekordtempo einstimmig Punkt für Punkt ab. So war man am Montag bereits mit dem Programm, für das man zwei Tage anberaumt hatte, durch. Allein der vorgeschlagenen Kaffeepause wurde Debattenwert zuerkannt. Nur sie wurde nicht einstimmig angenommen.

Die hundertprozentigen Abstimmungsergebnisse lösten bei den Sportfunktionären große Begeisterung aus. „Hier ist echte Aufbruchstimmung zu spüren“, sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes in Monte Carlo. Aus den Puzzleteilen der Agenda 2020 sei ein neues Bild von Olympia entstanden.

Neben der Senkung von Bewerbungskosten beschlossen die IOC-Mitglieder „die Austragung ganzer Sportarten oder einzelner Disziplinen außerhalb der Gastgeber-Stadt oder in Ausnahmefällen außerhalb des Landes zu erlauben“. Es soll in Zukunft auch vermehrt auf temporäre Bauten gesetzt werden. Die Begrenzung von 28 Sportarten bei Sommerspielen und sieben bei Winterspielen wurde unterdessen aufgehoben, um eine Auffrischung des Programms zu ermöglichen. Zudem wurde die Gründung eines olympischen TV-Kanals abgesegnet.

Kritik von außenstehenden Beobachtern

Für Berlin und Hamburg, erklärte Hörmann, ergebe sich aus den Beschlüssen mehr Flexibilität für deren Bewerbungen, die Sommerspiele 2024 auszurichten. Die Entscheidung über die Vergabe der Spiele 2024 fällt im Sommer 2017 auf der IOC-Session in Peru.

Weit aus vorsichtiger äußerten sich außenstehende Beobachter. Antikorruptionsexpertin Sylvia Schenk sagte: „Es ist ein Etappensieg, aber das Rennen ist noch lang, mindestens so lang wie die Tour de France, weil die eigentliche Arbeit an vielen Punkten jetzt erst beginnt. Da muss ganz viel noch ausgearbeitet und dann umgesetzt werden, was auf internationaler Ebene nicht so einfach ist.“

Die beiden Grünen-PolitikerInnen, Monika Lazar, Obfrau im Sportausschuss des Deutschen Bundestags, und Özcan Mutlu, Sprecher für Sportpolitik, hingegen kritisierten, die Reformbemühungen des IOC gingen nicht weit genug. Das Wort Menschenrechte tauche in keinem der 40 Vorschläge auf, obwohl das Thema spätestens seit den Sommerspielen in Peking 2008 die sportpolitische Debatte dominiert und zuletzt auch in Sotschi 2014 eine gewichtige Rolle gespielt habe.

Auch vermissen die Politiker eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der fortschreitenden Kommerzialisierung des olympischen Sports. Mit der Einführung nationaler Top-Sponsoren würde man diese Entwicklung gar weiter vorantreiben.

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1 Kommentar

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  • Da ändert sich nicht viel. Die Bewerbungskosten sind bei einem 15 Mia Etat nun wirklich das unwesentlichste. Da kommt man auf 30-60 Mio. je Kandidatur. Olympia wird immer teuer sein - so billig wie in München wird es nie mehr werden. Dort war man überigens monatelang in Verzug mit sehr vielen Projekten. Berlin und Hamburg haben mit Ihren Budgets keine realistischen Möglichkeiten. Politisch wird das sowieso schwierig. Die Chancen steigen wenn Westeuropa sich für Kazahkstan entscheidet im Winter 2022. Ohne dieses Positivvotum wird Russland sich für Istanbul einsetzen.