: Reden statt streiten
Mediatoren helfen potenziellen Prozessgegnern, sich gütlich zu einigen. Bei Trennungen empfiehlt sich dieser Weg, um die Kinder zu schonen
Das Landgericht Berlin bietet den Parteien eines Rechtsstreits die Möglichkeit, ihre Konflikte durch eine sogenannte gerichtliche Mediation einvernehmlich beizulegen. Dabei stehen ihnen speziell geschulte richterliche Mediatoren und Mediatorinnen zur Seite.
Diese treffen keine Entscheidung über den Rechtsstreit, sondern unterstützen die Parteien vielmehr, in einem auf etwa zwei Stunden angelegten, vertraulichen und nicht öffentlichen Mediationsgespräch selbständig eine sinnvolle, verbindliche und umfassende Lösung zu entwickeln.
Verständigen sich die Parteien, kann ihre Einigung auf Wunsch im Anschluss an die Mediationsverhandlung als gerichtlicher Vergleich protokolliert werden. Ein schnelles, unkompliziertes und kostengünstiges Verfahren, bei dem es keine Verlierer gibt und die beiden Parteien gemeinsam eine Lösung zu entwickeln imstande sind. SVEN KULKA
VON SVEN KULKA
Viele Verfahren vor Gericht sind unnötig. Davon sind die Mediatoren und das Landgericht in Berlin überzeugt. Sie schlichten im Rahmen von Vermittlungsgesprächen und bewirken, dass die Parteien Verständnis dafür entwickeln, warum jemand etwas getan oder gesagt hat, das zu dem Streit geführt hat. Im besten Fall führt das Verfahren auch dazu, dass in Zukunft weniger Konflikte auftreten. Mediation eignet sich, wenn Eltern nicht auf Kosten ihrer Kinder streiten wollen und eine einvernehmliche Ausübung des Sorgerechts und des Umgangs anstreben; wenn sie vermeiden wollen, dass zum Beispiel bei einer Scheidung beide Partner unnötig verlieren – emotional und finanziell, erklärt Sabine Hufschmidt, Rechtsanwältin und Mediatorin sowie Lehrbeauftragte für Mediation an der Universität Potsdam.
Seit zehn Jahren leistet Hufschmidt Überzeugungsarbeit, denn oft geht es nicht um den Streitwert an sich, sondern um verletzte Eitelkeit oder um alte Konflikte. Konflikte, die auch das beste Gericht nicht lösen kann. Mediation bietet hier Hilfe zur Selbsthilfe. Übersetzt heißt das Verfahren „Vermittlung“, die man heute in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens einsetzt. In rechtlichen Auseinandersetzungen hat das Verfahren sich vor allem im Familienrecht bewährt.
Drei bis acht Sitzungen dauert eine Familienmediation, in denen Hufschmidt als Moderatorin agiert. Sie hört zu und stellt gezielt Fragen. Zudem gibt sie ihren Klienten nach den Sitzungen regelmäßig Hausaufgaben auf: Kontakt aufnehmen zu Banken, zum Steuerberater oder zum Vermieter. Diese Informationen sind Basis für die Mediation.
Getrennten Partnern fällt es oft schwer, miteinander zu sprechen und gemeinsam auf eine Lösung hinzuarbeiten. „In der Mediation werden die Betroffenen angeleitet, sich wieder zuzuhören, die eigene Position und die des Gegenübers in einem neuen Licht zu sehen und so den Weg für eine faire Auseinandersetzung zu ebnen“, so Barbara Kubach-Ebner. Auch sie ist Fachanwältin für Familienrecht und arbeitet seit 13 Jahren als Mediatorin.
Selbst eine Lösung finden
Gerichtsverfahren dauern oft lange, und am Ende gibt es einen Gewinner und einen Verlierer. Aber nicht nur die Eltern leiden in Scheidungsverfahren, sondern vor allem die Kinder. „Sind Eltern zum Beispiel nicht in der Lage, sich zu einigen, bei wem ihre Kinder künftig leben sollen, kann das Gericht lediglich versuchen, mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln, welche Lösung für den Nachwuchs vermutlich die beste wäre“, erklärt Barbara Kubach-Ebner. In der Mediation finden sie selbst eine Lösung.
Mediatoren müssen eine rund 200 Stunden umfassende Ausbildung nach den Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation absolvieren, was die Qualität des Verfahrens sichert. In der Praxis sind die Mediatoren zur Neutralität verpflichtet und werden von beiden Parteien gemeinsam beauftragt. Im freiwilligen Verfahren, in dem der Mediator als neutraler Dritter vermittelt, macht der Mediator keine eigenen Lösungsvorschläge – der Unterschied zum Schlichtungsverfahren. „Die Lösungen suchen die Klienten im Rahmen des Mediationsverfahrens selbst“, so Sabine Hufschmidt.
„Bei Mediation geht es weniger um Recht als um Verstehen“, betont Azad Sosan, Sprecherin der Regionalgruppe Berlin des Bundesverbands Mediation. Das Verfahren vergrößere vielmehr den Verhandlungsspielraum der Parteien und arbeite gegen den Tunnelblick. Es gelte: seine eigenen Interessen, sich selbst und andere zu verstehen sowie Selbstverantwortung zu übernehmen.
„Mediation lohnt sich praktisch immer“, sagt Karen Engler, Leiterin der Centrale für Mediation in Köln. Die Parteien seien aktiv an der Konfliktlösung beteiligt und gingen in den meisten Fällen sehr viel zufriedener aus einem Mediationsverfahren heraus als aus einem streitigen Gerichtsverfahren, sagt Engler. Aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt sich eine Mediation häufig. Mediatoren rechnen ihre Arbeit nach Stundensatz ab, die Prozesskosten vor Gericht hingegen orientieren sich an der Höhe des Streitwertes. Je höher der ist, desto größer ist in der Regel der Vorteil des Mediationsverfahrens.
So gut sich das Verfahren auch anhört – noch kennen es wenige. Das Verfahren ist in den Köpfen vieler noch nicht als echte Alternative zu herkömmlichen Streitbeilegungsverfahren angekommen. Sabine Hufschmidt fordert daher, dass Gerichte Mediation zu einem festen Bestandteil bei Verfahren machen sollten.