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Rechtssicherer Internet-SchriftverkehrAnwälte und Notare lehnen De-Mail ab

Der Anwaltsverein und der Notarverein halten das De-Mail-Projekt der Bundesregierung, das rechtssicheres E-Mailen ermöglichen soll, für zu unsicher. Es lohne sich schlicht nicht.

Großen Anbieter wie 1&1 (GMX) sollen De-Mail auf den Markt bringen. Bild: dpa

Wenn es nach der Bundesregierung geht, kommunizieren die Bürger in wenigen Jahren über eine neue Internet-Plattform, die deutlich sicherer sein soll als die populäre herkömmliche E-Mail. Das Projekt namens "De-Mail" genießt im Innenministerium hohe Priorität - eine eigene gesetzliche Grundlage soll die Technik "rechtssicher" machen, die dann von großen Anbietern wie 1&1 (GMX, Web.de) oder Deutsche Telekom (T-Online) auf den Markt gebracht wird.

Allerdings glaubt nun ausgerechnet eine der wichtigsten Zielgruppen für die neue Technik nicht mehr an das Projekt: Wie der deutsche Anwaltsverein (DAV) und der deutsche Notarverein (DNotV) in dieser Woche in einem gemeinsamen Statement schreiben, lehnen sie das De-Mail-Projekt in seiner jetzigen Form ab. Dabei sollte mit der Technik unter anderem die Kommunikation mit Gerichten abgedichtet werden. Die De-Mail sei schlicht überflüssig, lässt sich DAV-Präsident Wolfgang Ewer zitieren. "Es gibt keinen triftigen Grund, einen De-Mail-Dienst zu initialisieren. Mit der elektronischen Signatur ist eine Zustellung elektronischer Dokumente heute schon möglich."

De-Mail

Die De-Mail soll den Bundesbürgern einen sicheren und verschlüsselten Internet-Kommunikationskanal bieten, um beispielsweise auch amtliche Schreiben, die derzeit per E-Mail nicht zugestellt werden dürfen, erhalten zu können. Die Technik ist unter Experten allerdings umstritten - so lagert die Post beispielsweise auf dem Server des jeweiligen Anbieters und nicht direkt beim Nutzer.

DNotV und DAV kritisieren insbesondere, dass ein solcher neuer E-Briefkasten auch eine Vielzahl unerwünschter Botschaften anziehen könne. Die Folge sei ein "Datenoverkill". So können mit De-Mail "etwa Rechnungen, Mahnungen, behördliche Schreiben und Bescheide zugestellt werden, ohne dass der Bürger hiervon konkret Kenntnis erlangt". Nach Ansicht beider Organisationen bestehe die Gefahr, "dass beispielsweise aus Versehen ein Bußgeldbescheid, eine Abrissverfügung oder ein Gerichtsurteil übersehen wird". Das könne dazu führen, dass Rechtsmittel dann nicht mehr möglich seien.

Kritik üben Notare und Anwälte auch an den möglichen Kosten des De-Mail-Projekts. Dazu mache der Gesetzentwurf keine Angaben. De-Mail sei "auch ein Versuch der Industrie, für die E-Mail Gebühren einzuführen wie beim Telefon". Tatsächlich verlangt etwa die Deutsche Post für ihren De-Mail-ähnlichen Dienst "E-Post-Brief" genauso viel Geld wie für ein Papierschreiben.

Auch mögliche Sicherheitslücken sehen DAV und DNotV bei der De-Mail. Nach dem Entwurf sei die Identitätsfeststellung unklar und unsicher. Jeder Nutzer müsse sich nach derzeitigem Stand lediglich einmal entsprechend den Anforderungen des Gesetzes anmelden, um die individualisierte E-Mail-Adresse dauerhaft nutzen zu können. "Nachträgliche Änderungen wie z. B. durch Umzug, Heirat, aber auch durch Personalwechsel in Unternehmen haben keinerlei Einfluss auf die Nutzung der einmal gehaltenen Adresse." Dem Missbrauch werde damit Tür und Tor geöffnet. Zudem habe der Bürger keinen eindeutigen Anspruch darauf, dass seine persönlichen Daten geheim blieben.

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6 Kommentare

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  • D
    davidly

    DE Mail ist retarded - d.H. die Mehrheit der BürgerInnen wird es auffüttern.

  • A
    anders

    Na, alle so technikfeindlich?. Am Anfang waren auch alle gegen die Dampflock...

    Wenn Handwerklich, sprich politisch und programmiertechnisch alles perfekt wäre, wenn....

    dann wäre es doch eine feine Sache, sagen wir mal das alle 7 oder 14 Tage einmal die DeMails abgerufen werden müssen und das weltweit und ich den Briefkasten zu Hause abbauen kann, was ich übrigens schon getan habe gegen die Papierflut und unnütze Holzverschwendung

  • T
    Techniker

    Ich sehe auch einen Riesennachteil darin, dass hier ein Rechtsbriefsystem postuliert wird, bei dem man verpflichtet ist jeden Tag in seinen elektronischen Briefkasten zu schauen. Nein..Nein..das werde ich nicht mitmachen. Schlimm genug in Deutschland mit seiner Bürokratie, dass man kaum 6 Wochen in den Urlaub kann ohne Briefkastenservice und jetzt noch die Pflicht in den e-Postkasten zu schauen, weil rechtsverbindliche Schreiben drin liegen könnten. Nein.

    Ich finde ein Horror. Die Registierung für diesen Dienst proftiert ja von der Angst der eigene Name könnte weg sein...wie so oft im Net...aber ich finde diese unschöne Verpflichtung ist ein zu grosser Nachteil. Die Kündigung des Vermieters liegt im DEmail...und sie checken den Computer nicht..oder Windows läuft nicht..oder sonstwas....

  • LM
    Lisa Müller

    Ihren Kommentar hier eingeben Eine DEmail ist genausoüberflüssig wie ein Kropf.Keiner braucht sie wirklich. Amtliche Briefe sollten auf dem "normalen"Postweg unter Wahrung des Briefgeheimnisses weiterhin befördert werden. Dies bedeutet auch Arbeitsplätze erhalten!

  • M
    Manfred

    Mein Hauptproblem mit der De-Mail ist dass ich glaube dass die De-Mail dann in näherer Zukunft verpflichtend wird, sprich Kontakt von und zu Behörden kann nurnoch per De-Mail stattfinden, ein Zwangsbescheid gilt als sofortig zugestellt etc. etc.

     

    Ähnliches ist ja bei der "Abwrackprämie" schon geschehen. Nach, wenn ich mich richtig erinner, ca. einem Monat war der Antrag nurnoch Online ausfüllbar, ein von den Medien größtenteils leider ignorierter großer Skandal.

  • TT
    Thea Tralisch

    Irgendwie braucht niemand DEmail, oder?

    Die Kosten sind so hoch wie die der Briefpost, der Nachweis, dass eine Mail angekommen ist liegt beim Empfänger und Namenswechsel sind nicht vorgesehen. Es gab die Lebenslange Mailadresse schon mal, ich glaube lebenslang waren damals 4 Jahre (2001-2005). Persönliche Verschlüsselung ist ebenfalls bei DEmail nur sekundär vorgesehen. Der PRovider verschlüsselt zwar aber beim Eintreffen wird die Mail entschlüsselt und dann wieder verschlüsselt. Das Briefgeheimnis wird also nicht durchgängig gewahrt. Das wäre als würde die Post wegen der Anschlaggefahr einen Brief 2x umkuvertieren.

    Man verpflichtet sich als Privatkunde mindestens einmal täglich die Mails abzuholen aber eigentlich darf man das Passwort niemandem verraten. Was also tun im Urlaub oder bei Krankheit?

    DEMAil? Ich bin doch nicht blöd!