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Rechtsgrundlage für Moratorium bezweifeltRWE klagt gegen AKW-Abschaltung

Der Energiekonzern RWE klagt gegen die Abschaltung seines Atomkraftwerks Biblis A. Eine rechtlich saubere Grundlage sei Voraussetzung für das Moratorium.

Deutschlands zweitgrößter Energieversorger RWE klagt gegen die vorläufige Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A in Hessen. Bild: dapd

BERLIN dpa | Nach der schwarz-gelben Atomwende geht der erste Energiekonzern auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung: RWE hat gegen die vorübergehende Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis A in Hessen Klage eingereicht. Dies teilte ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs in Kassel mit. Zur Klage sei man schon aus aktienrechtlichen Gründen verpflichtet, hieß es. Der Konzern kündigte für den Vormittag eine Erklärung an.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, reagierte gelassen. In der ZDF-Sendung Maybritt Illner zeigte er sich überzeugt, dass die Entscheidung der Bundesregierung zur Stilllegung der sieben ältesten Atommeiler Bestand haben werde. "Wir werden auf die Klage so reagieren, dass das Moratorium weiterläuft", sagte der CDU-Politiker. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnte hingegen, dass Biblis A sofort wieder ans Netz gehen könne, falls das Gericht einem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgeben sollte.

Nach Einschätzung von Experten hat RWE gute Chancen, da die Begründung für die zwangsweise Abschaltung der sieben alten Meiler rechtlich umstritten ist. Umweltminister Norbert Röttgen hatte den Schritt als vorsorgende Maßnahme nach den Ereignissen in Japan begründet. Mehrere Juristen halten dies für gewagt. Sollte RWE Recht bekommen, stünde das derzeitige Atom-Moratorium infrage.

Linke-Chef Klaus Ernst forderte die Bundesregierung auf, eine Verstaatlichung der Energiekonzerne zu prüfen. "Der Staat darf sich nicht erpressbar machen", erklärte er. "Strom gehört nicht an die Börse, sondern in die Hand der Bürger. Die Enteignung und Zerschlagung der Stromriesen darf kein Tabu mehr sein."

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf CDU und CSU Geschichtsklitterung vor. "Es ist abenteuerlich, wie die Union jetzt sechs Jahrzehnte massivsten Atomlobbyismus vergessen machen will", sagte Roth der Leipziger Volkszeitung. "Vom ersten deutschen Atomminister Franz Josef Strauß (...) bis hin zu Angela Merkel, die 2010 den Atomausstiegskonsens brach und die Laufzeiten verlängerte, war die Union die politisch treibende Kraft hinter der Atomenergie."

Der Vorstandsvorsitzende der BASF, Jürgen Hambrecht, plädierte dafür, die Diskussionen über eine Energiewende mit kühlem Kopf zu führen. "Wir müssen jetzt innehalten, analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen. Dafür war das Kernenergie-Moratorium richtig", schrieb Hambrecht in einem Beitrag für das Handelsblatt. Der BASF-Chef ist Mitglied der Ethikkommission, die die Politik bei der Bewertung der Risiken der Kernkraft beraten soll.

Der Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, hat die Einladung von Kanzlerin Merkel abgelehnt, der Ethikkommission anzugehören. Das sagte Fücks der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Einladung des Grünen-Mitglieds zur Mitarbeit in dem Gremium war kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bekanntgeworden.

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17 Kommentare

 / 
  • OK
    Olaf Kühn

    Ich schlage vor: jeder der bei RWE ist wechselt, das erzeugt den meisten Druck!

     

    Ansonsten bleibt uns noch http://www.jetztabschalten.de/ als sinnvolle Ergänzung.

  • RM
    Reimar Menne

    Eine heimliche Kumpanei?

    Der Tenor der Berichte und Kommentare ist anstößig: Die Stromkonzerne werden uns recht geben mit unserem gesetzestreuen Atomausstieg, und da ist uns sogar so ein Grobian wie der unheimliche Herr Großmann uns recht, weil er die Regierung vorführt. Da fällt jeder Zweifel an dem damaligen "Atomkonsens" der auch ein über den Tisch ziehen der Grünen gewesen sein könnte, glatt unter den Tisch. Tief muss der Ärger sitzen über das Manöver der Merkelregierung, sich im Handstreich als atomkritisch darzustellen, und groß muss die Angst sein, dass die so willkommene Stimmung gegen die Atomenergie durch ein paar durchsichtige Manöver wieder untergeht.

    Ein bisschen Projektion vielleicht? Die anderen sind die Machtmenschen, die zu jedem Trick bereit sind, und wir können uns darstellen als die Reinen, denen es nicht auf Macht ankommt?

    Und sehr wenig Vertrauen vielleicht? Die Menschen könnten ihrer Meinung untreu werden und sich wieder einmal gegen uns entscheiden?

    Jedenfalls kommt mir die Kritik des höchstpersönlichen Rambotums dieses Herrn Grossmann zur Zeit zu kurz.

    Und dass eine Regierung und eine Verwaltung es nicht schaffen sollte,allein durch konsequente Anwendung der vorhandenen Sicherheitsstandarts und durch konsequentes Kontrollieren entlang diesem Maßstab und zusätzliches Etablieren eines wirklichen Grundrechtsschutzes die Atomkraft zu entlarven und zu beenden, glaube ich nicht. Finde dazu auch in der aktuellen Berichterstattung herzlich wenig Konkretes.

  • W
    Wolfgang

    auf: www.koka-augsburg.com

     

    Die Siedewasserreaktoren in Gundremmingen sind ebenso profitabel wie gefährlich:

     

    Sicherheit – die Ideologie der AKW-Betreiber und -Befürworter

     

    Es ist einesteils richtig, wenn man anläßlich des Falles des AKWs Fukushima sagt, man habe ja schon immer gewußt, daß die Atomanlagen gar nicht sicher sein können und selbst die Protagonisten haben das eingeräumt, indem sie immerzu die Sicherheit ihrer Unsicherheit doppelt und dreifach unterstrichen haben. Doch was lernt man denn dann aus Fukushima? Daß es ein Verhältnis gibt zwischen dem Imteresse von Staat und Kapital, koste es was es wolle, billig Strom für die Industrie (nicht für den Privathaushalt! - der wird teuer berappt!) zu produzieren, ein Verhältnis zwischen dem Staat und seiner Wirtschaft zu seinen Staatsbürgern, sofern sie nicht zur Kapitalfraktion gehören, Staatsbürger, die im Eigeninteresse Widerstand leisten gegen die gemeingefährlichen AKW-Machenschaften; dementsprechend sorglos war der Umgang in Japan. Sogesehen war Japan für AKW-Konzerne in der BRD wie eben RWE – welcher sich jetzt erdreistet, selbst gegen ein bloßes Moratorium im Falle ihrer Biblis-Reaktoren einen Aufstand zu machen! – ein tolles Vorbild: Ein schönes Beispiel ist eben Gundremmingen (75 % RWE, 25 % E.ON), das leider nicht einmal von dem Moratorium betroffen ist: Wie in Fukushima sind in Gundremmingen Siedewasserreaktoren am Laufen, das heißt, daß die Dampfturbine direkt mit dem Wasserdampf betrieben wird, der im Reaktordruckbehälter erzeugt wird. Also haben diese Reaktoren nur einen Wasser–Dampfkreislauf haben, und der radioaktive Kreislauf ist damit nicht auf den Sicherheitsbehälter beschränkt ist. Dieser Verzicht auf einen zweiten Wasserkreislauf im Siedewasserreaktor führt dazu, daß radioaktiv kontaminiertes Wasser auch ins Maschinenhaus und an die Turbinen kommt, was eine besondere Schwachstelle dieses Reaktortyps ausmacht. Das ergibt für die profitorientierten Betreiber jedoch die vorteilhafte Möglichkeit, wie die Grünen auf ihrer Augsburger Homepage schreiben, daß Lastsprünge gefahren werden können, womit sich ein AKW unter dem Thema »Versorgungssicherheit« natürlich besonders anpreisen läßt. Auf der Homepage der Anlage ist von diesen Lastsprüngen überhaupt nicht die Rede. Dieser Lastbetrieb wurde von der Bayerischen Staatsregierung genehmigt [aufgrund einer Pro-AKW-CSU-Regierung ist Bayern bislang ein hervorragender Standort! Der AKW-Abgeordnete Christian Ruck hat nun nach Fukushima es für nötig erachtet, sich als besonders engstirniger Schwachkopf in Pose zu werfen!]. Lastbetrieb belastet das AKW allerdings erheblich und führt zu einem rapiden Verschleiß, was insbesondere die Reaktoren selber betrifft, in denen das Wasser zum Sieden gebracht wird. Die Auswechselung der Reaktoren ist freilich eine nicht unerhebliche Kostenfrage. -

    Die Grünen weisen darauf hin, daß selbst bei Normalbetrieb von Siedewasserreaktoren mehr Radioaktivität über Kamin und Abwasserrohr an die Umwelt abgegeben wird als bei anderen Reaktortypen. Ein eklatanter Zwischenerfall ereignete sich im Februar/März 2010, als es zu einem doppelten Kühlwasserpumpenausfall gekommen war; im gleichen Jahr sorgten schadhafte Brennelemente für Nachfragen, die so gut wie unbeantwortet blieben: Nicht einmal die Hersteller der Brennstäbe werden genannt! Im übrigen müßten die Elemente erst abklingen (was bekanntlich so lange dauert, bis der Fall in Vergessenheit geraten ist). Über »Stör-«fälle berichtet die AKW-Website natürlich sowieso nicht.

    Wie in Fukushima an den Tag getreten sind auch in Gundremmingen die Abklingbecken besonders ungeschützte Schwachstellen. Dasselbe gilt für das am Ort befindliche Zwischenlager, das sich im Vergleich zu anderen AKWs auch noch durch besonders dünne Betonwände auszeichnet.

    Eine Frage an die AKW-Mitarbeiter: Warum glaubt ihr denn, daß ihr in einem AKW besonders gutes Geld verdient? Doch nicht für den Ernstfall eines GAUs oder Super-GAUs? (02.04.11)

  • M
    Mappus

    Ich bin den Linken zuvorgekommen!

  • AD
    Ausstieg, der den Namen verdient

    Gut so.

    Die Tür für diesen Trick der Bundesregierung wird zu gemacht.

    Entweder, die Koalition bringt ein richtiges Gesetz auf die Reihe, oder sie wird abgewählt.

     

    Ich tippe auf letzteres. ;-)

  • S
    spiritofbee

    Wie wärs mit einer Million Privatklagen ( Sammelklage ) auf Entschädigung wegen der Verletzung und Gefährdung von Leib und Leben durch Niedrigstrahlung und vorsätzliche Verseuchung unseres Lebensraumes auf unzählige Generationen hinaus.

    Wo sind die Mutigen??

  • F
    FAXENDICKE

    Alle RWE Kunden die gegen dieses Atomverbrechen sind, sollten sofort den Anbieter wechseln. Es reicht wenn sie als Steuerzahler dank inkompetenter CDU/CSU/FDP Politik jetzt auch noch finanziell in Regress genommen werden.

  • D
    Denkmal

    ENERGIEVERSORGUNG VERSTAATLICHEN

    Energieversorgung ist überlebenswichtig.

    Es kann nicht sein, daß der Staat diesen,

    das System erhaltenden Grundpfeiler in

    private Hände gibt, die an erste Stelle

    den wirtschaftlichen Profit setzen.

    Jahr für Jahr werden von den vier großen

    Energiekonzernen satte Milliardengewinne abgeschöpft

    bei ständig steigenden Strompreisen für den Verbraucher.

    Zudem wird die Sicherheit der ohnehin riskanten Atom-

    kraftwerke durch Faktoren der Wirtschaftlichkeit noch mehr vernachlässigt.

    Energieversorgung ist Sache des Staates !

  • J
    Josch

    Super, jetzt klagt RWE gegen uns Steuerzahler, die vorher die Gewinne bezahlt haben für den Atomstrom der überzählig ins Ausland verkauft wurde. VoRWEg gehen bekommt da eine neue Dimension...

  • LK
    lothar kuhlmann

    hessische verfassung:

    "Art. 45 [Eigentum und Erbrecht]

    (1) Das Privateigentum wird gewährleistet. Sein Inhalt und seine Begrenzung ergeben sich aus den Gesetzen. Jeder ist berechtigt, auf Grund der Gesetze Eigentum zu erwerben und darüber zu verfügen.

    (2) Das Privateigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen. Es darf nur im öffentlichen Interesse, nur auf Grund eines Gesetzes, nur in dem darin vorgesehenen Verfahren und nur gegen angemessene Entschädigung eingeschränkt oder enteignet werden. "

  • KF
    Öko fritz

    nach DDR und SED Verganegnheit, bin ich zwar skeptisch bei den Linken, jedoch deren Aussagen sind oft sehr sinnvollvoll:

     

    "... Verstaatlichung der Energiekonzerne..."

     

    Alles was die Menschheit dringend braucht, wie saubere Luft, Wasser, gesunde Nahrung und andere Dinge sollten hochheitlich im Sinne aller Menschen und Bürger verwaltet werden ohne "Gewinninteressen", die nur wenigen zugute kommen!

     

    Atomtechnik, Gentechnik und auch Gesundheitssektor müssen von Großkonzernen entkoppelt sein!

     

    Verkehrstrassen, Energienetze gehören nicht in private Hand! - Auch wenn dem öfentlichen Dienst zu oft aus Erfahrung Unwirtschafltichkeit und Trägkeit vorgeworfen wird!

  • GF
    Gerhard Fritsche

    Es zeigt sich das wahre Gesicht der Atommaffia !

  • L
    linkelinke

    Erst werden die Stromkonzerne privatisiert von der Regierung und nun wollen die Linken sie wieder verstaatlichen, damit sie einige Jahre später wieder privatisiert werden können. Wem kommt das noch seltsam abstrus vor? :)

     

    Und wer denkt, dass Strom billiger wird, wenn der Staat derart mit mischt, der lebt in einer anderen Welt. Die Gemeinden und Städte sind Anteilseigner bei RWE, EON und co. Sie bestimmen jetzt schon mit wohin der Weg gehen soll. Und die Städte wollen Geld sehen und zwar jedes Jahr bitte mehr. Die AKWs abzuschalten ist sicher richtig, aber die Politik sollte sich im klaren sein, dass dadurch auch sie selber weniger Geld in der Kasse haben werden und das das bei den maroden Stadtkassen problematisch sein wird.

  • B
    Bürger

    Finde ich begrüßenswert was RWE macht. Ich würde doch auch klagen wenn man mir auf einmal mein Haus wegnehmen würde.

  • T
    Torben

    Völlig zurecht und mir soll keiner erzählen, dass in der Bundesregierung nicht davon ausgegangen wurde. Möglicherweise hat man sich auch zuvor gegenseitig rückverbrüderlet.

     

    Selbstverständlich bedarf es in einem Rechtsstaat einer rechtlichen Grundlage für Behördenhandeln.

  • L
    lotte

    ...die habe wohl nicht mehr alle latten am zaun, eins, zwei, drei katastrophen reichen wohl nicht, die merkeln ist doch eine der inkompetentesten bürgervertreterin die es gibt. abgesehen davon das politik nichts mehr mit bürgervertretung zu tun hat, bah, wiederlich. Zugeschi...... gehören die!!!!! Wahlen boykottieren, und politik in dieser form gehört abgeschaft, basta! schönen tach noch!!!!!

  • L
    lexelender

    wem der bolzen in der hose, was kernenergie angeht, vor angst nicht kommen sollte, dem sei holger strohm empfohlen der sorgt auf jeden fall dafür, dass wir uns wieder windeln kaufen können.

     

    Holger Strohm (* 7. August 1942 in Lübeck) ist ein deutscher Autor, der vor allem durch seine Bücher zu den Themen Reaktorsicherheit und Atomstrom bekannt wurde. (wikipedia)

     

    ein interview

    http://www.youtube.com/watch?v=imYvhn56d8Y