Rechtsextremismus: NPD raschelt sich an Schüler ran
Die NPD versucht mit einer eigenen Schülerzeitung, Jungwähler zu beeindrucken. Landesregierungen in Berlin und Potsdam befürchten nun Verteilaktionen der Rechtsextremen nach den Herbstferien.
Mit 40.000 Exemplaren einer Schülerzeitung sucht die rechtsextreme NPD Kontakt zu potentiellen Jungwählern in Berlin und Brandenburg. Und für jeden soll in der Schülerzeitung was dabei sein, in der Hauptstadt die wachsende Zahl der Ausländer, in Brandenburg der Wegzug der Deutschen. Besonders auf dem Schulweg, in S-Bahnen und an Bushaltestellen versuchen die Neonazis neuerdings, ihr braunes Material zu verteilen. Offensichtlich soll vermieden werden, dass Lehrer von den Aktionen Wind bekommen und Schülern die Hefte abnehmen.
Die Landesregierung in Potsdam blickt nun mit Sorge auf diese Woche nach den Herbstferien und warnt wegen "vorliegender Informationen" vor Aktionen der NPD. Auch der Berliner Verfassungsschutz und die Senatsschulverwaltung haben vor verstärkten Aktionen der rechtsextremistischen NPD an Schulen gewarnt. Zwar wurde laut Verfassungsschutz in Berlin bislang keine Verteilaktion bekannt. Vor einigen Tagen seien aber bereits erste Exemplare der Zeitung Brennnessel an Schulen und in S-Bahnen in Brandenburg aufgetaucht. Mitglieder der NPD hatten das Blatt in Strausberg und Umgebung verteilt. Nun prüft der Brandenburger Verfassungsschutz das Blatt. Die Polizei hatte nach einem Anruf zweier Schulleiter am Inhalt strafrechtlich nichts zu beanstanden.
Erst im September hatte die sächsische NPD mit einer Schülerzeitung für Aufruhr gesorgt. Die Polizei beschlagnahmte 150 Exemplare von Perplex, Staatsanwälte bewerten den Inhalt des bunt aufgepeppten Heftes als jugendgefährdend.
Die Brennessel kommt dagegen grafisch recht unauffällig daher. In Schwarzweißoptik ist sie am Kopierer erstellt. Anders als in Sachsen fehlt der NPD in Brandenburg das Geld für bunte Jugendblätter. Für den Inhalt bekamen die lokalen NPD-Männer Beistand von freien Neonazi-Gruppen aus Vorpommern.
"Die, vor denen eure Lehrer warnen", so stellen sich die Rechtsextremen in der Brennessel vor. Auch der Feind ist schnell benannt: Linke Politiker, der Staat, der Geld für den Kampf gegen rechts ausgibt, Ausländer sowieso. Dann zeigt die NPD ihre guten Taten: Familientreffen, Kinderfeste, Suppenküchen für Bedürftige. Selbst mit einer Casting-Show beschäftigen sich die rechten Blattmacher und zeigen, wo die Leser ihrer Meinung nach besser aufgehoben wären: bei der "Heimattreuen Deutschen Jugend" etwa, einem Verein der Kinder und Jugendliche in Zeltlagern drillt.
Schließlich wird die junge Zielgruppe noch darüber aufgeklärt, wie sie an einschlägige Musik, Bücher und Kleidung kommt. Die Schulhof-CD gehört zum Standardprogramm. Erst kürzlich waren in Angermünde CDs mit dem Titeln "Morgenröte oder Abenddämmerung" und "Nationalbuch der Deutschen Jugend" an Schulen verteilt worden. Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) rechnet mit weiteren Verteilaktionen in den kommenden Tagen. Er rief Schüler, Eltern und Lehrer zu Wachsamkeit auf. Der NPD müsse klar gezeigt werden, dass sie mit ihren Botschaften auch bei den jungen Brandenburgern keine Chance habe.
Bei der Brennessel handelt es sich nach NPD-Angaben nur um den regionalen Vorläufer eines größer geplanten Blattes. Schon über den Namen wird in der rechtsextremen Szene gespottet, bei der nächsten Ausgabe soll ein anderer her, heißt es bei den Machern. Von 1931 bis 1938 gab es bereits ein gleichnamiges faschistisches Humorblatt mit antisemitischen und antikommunistischen Karikaturen. Zudem heißt das Organ der Grünen Jugend Bayern genauso.
Das eigentliche Blatt werde noch im Oktober erscheinen, erklärte NPD-Parteichef und Bundessprecher Klaus Beier. "Der Stachel - Zeitung für Mitdenker" galt bislang als Titel. Der NPD-Chef plant weitere Schülerzeitungen mit regional unterschiedlichen Ausgaben. Sein Ziel sind in Brandenburg in den kommenden zwei Jahren anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen.
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