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RechtsextremismusNeonazi-Angriffe in Nordhessen

Die mediale Aufmerksamkeit war groß, als Rechtsextreme in Nordhessen ein linkes Jugendcamp überfielen. Der Täter wurde verurteilt, die Angriffe gehen weiter.

Das Land Hessen ziehe sich aus seiner Verantwortung zurück, kritisiert ein pensionierter Lehrer. Bild: ap

Der Schwalm-Eder-Kreis südlich von Kassel ist eine beschauliche Gegend. Doch seit dem Sommer 2008 sehen sich Kommunalpolitik und Bevölkerung einer Reihe von Neonazi-Attacken konfrontiert. Polizei und Justiz konnten den Bedrohungen nur unzureichend entgegentreten.

Aufgeschreckt wurde die bundesweite Öffentlichkeit durch den Überfall rechtsgesinnter Täter auf zwei Jugendclubbesucher im Juni 2008. Sechs Wochen später überfielen sieben Rechtsextreme ein Zeltlager von Solid, der Jugendorganisation der Linkspartei. Der Haupttäter Kevin S. verletzte eine schlafende 13-Jährige schwer und attackierte ihren Bruder mit einem Klappspaten. Der Fall erregte großes Aufsehen – auch in den überregionalen Medien.

Die örtlichen Kommunalparlamente verabschiedeten daraufhin Resolutionen gegen rechte Gewalt. Der Landkreis richtete eine Stabsstelle "Gewalt-geht-nicht" im Jugendbildungswerk ein.

Polizei und Justiz taten sich jedoch mit zu knappem Personal mit der strafrechtlichen Verfolgung schwer. Im Verfahren gegen Kevin S. wurde die Tötungsabsicht als Motiv fallengelassen. Das Landgericht Kassel verurteilte Kevin S. zu 27 Monaten Freiheitsstrafe. Seine Gesinnungsgenossen, die Sachschäden angerichtet hatten, kamen mit Geldstrafen und Arbeitsauflagen vor dem Jugendrichter davon.

Inzwischen hat die rechtsextreme Gruppierung "Freie Kräfte Schwalm-Eder" ihre Angriffe auf Personen verstärkt. Ende September kam es in Treysa vor einer Musikkneipe zu einem Angriff gegen zwei Gäste und den Wirt. Diese wurden verletzt und vermuteten die Täter aufgrund deren Kleidung in der rechten Szene – sie trugen unter anderem ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "88" und dazu schwarz-weiß-rote Hosenträger.

Vier Wochen später waren mehrere Kirmesfeiern das Ziel von Angriffen, zuerst in Borken-Arnsbach. Es gab zwei Verletzte. Eine Woche später fuhren 15 Neonazis in drei Taxis nach Schwalmstadt-Ditterhausen. Der um 3.00 Uhr alarmierten Polizei kamen drei Verletzte entgegen. Als die Beamten versuchten, einen Tatverdächtigen festzunehmen, wurde ein Polizist mit Fußtritt gegen den Kopf schwer verletzt. Zwei seiner Kollegen trugen leichte Verletzungen davon.

Schwalmstadts Bürgermeister Wilhelm Kröll (SPD) fordert angesichts der zunehmenden Gewalt den Ausbau der Jugendarbeit. Bei den Haushaltsberatungen in seiner Kommune musste er darum kämpfen, die zweite Stelle eines Jugendpflegers wieder zu besetzen, sagt er.

Deutlicher wird Hans Gerstmann, bis vor einigen Jahren noch Rektor der Gesamtschule Schwalmstadt-Ziegenhain. "Alleine sieben Stellen von Schulsozialarbeitern werden im Schwalm-Eder-Kreis vom hessischen Kultusministerium gestrichen. Die Schulen werden so der Möglichkeit beraubt mit problematischen Jugendlichen vorbeugende Arbeit zu leisten." Den Wegfall dieser sieben Stellen könnten Kommunen nicht ausgleichen, sagt der Lehrer im Ruhestand. Das Land Hessen ziehe sich aus seiner Verantwortung zurück.

Die Polizei Schwalm-Eder wurde dagegen personell mit Bereitschaftspolizisten verstärkt. Damit sollen Veranstaltungen besser geschützt werden. Mit "Gefährderansprachen" versuchen die Beamten auf die Neonazis einzuwirken. Zudem führte die Polizei mehrere Hausdurchsuchungen bei den "Freien Kräften" am 18. November durch. Dabei stellten die Ermittler Baseballschläger, Propagandamaterial und eine Hakenkreuzfahne sicher.

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18 Kommentare

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  • JS
    Jan S.

    Die inzwischen sich mehr und mehr gefestigten Strukturen einer rechtsextremistischen Kameradschaft in Nord -und Mittelhessen, ist ein Thema, das unbedingt ausführlich analysiert und öffentlich gemacht werden muss. Denn als anfingen sich diese Vorfälle zu häufen, hatte zunächst der Polizeichef dort in einer Pressemitteilung behauptet im Wortlaut: "Es gibt hier keine Neo-Nazis" und sogar die CDU-Regierung weigerte sich zunächst im Landtag, einer von SPD, Grüne und die Linke parteienübergreifende Resolution mitzuunterzeichnen, mit einer ähnlichen absurden Begründung wie diejenige der zuständigen Polizei! Sehr bedenklich. Zu Mittweida hier noch eine Aufklärung auch über das dortige staatliche Versagen wie in Hessen:

     

    http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=3461438/pv=video/nid=233454/28db7e/index.html

     

    In Hessen ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann es das erste rechte Tötungsdelikt gäbe!

  • C
    Clara

    Ob 'echter-deutscher-' oder 'Stammtisch-' Nazi oder 'nur einfacher' Antisemit, ... egal! Es spielt doch überhaupt keine Rolle ob die Person, die z.B. eine Synagoge als Plattform nutz, der Scheiße in seinem/ihrem Kopf einen Raum zu geben, die 'richtige' "nationalität" hat, oder ob die Person ins Nazirasta der Gesellschaft passt ...

     

    Es gibt auf all die verschiedenen Erscheinungsformen ein und die selbe Antwort!!!

    Ich kann mir gut vorstellen, wer später (wenn die Antwort kommt) kriminalisiert wird. Aber was solls, die Arbeit muss ja gemacht werden...

  • A
    anteater

    Hauptsache wir haben genug Geld für unsere Bank-Zocker...

  • E
    Ernst

    @Gereon Wisniarek was sie fuer einer sind bemerkt man an ihrer art zu schreiben.

    Das mit der Synagoge scheint ihnen ja sehr wichtig zu sein, aber wir sprechen hier von Gewalttaten die fuer das 13-Jaehrige Maedchen fast toedlich ausgegangen waeren! Und der Polizeibeamte wird sich seine Kopfverletzung auch nicht gewuenscht haben!

     

    UND JA, wer Minderjaehrige mit Klappspaten attackiert gehoert bekaempft!!!

  • K
    keetenheuve

    Mittweida läßt grüßen. Wie Dresden zum wiederholten Male belegt, werden viel angebliche Nazi-Vorfälle gar nicht von Nazis begangen. Dementsprechend sollte man grundsätzlich mißtrauisch bei solchen Meldungen wie in Hessen sein. Erstaunlich, dass die taz Mittweida und Co. kaum thematisiert.

  • S
    Sub

    Na super, ausgerechnet jetzt will die Regierung die Programme gegen Rechtsextremismus kürzen..

  • GW
    Gereon Wisniarek

    "Neonazis" gefasst !!!

     

     

    Der “Nazi”, der die Synagoge in Dresden mit Hakenkreuzen beschmiert hat, ist gefasst.

     

    http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2309409

     

    Es handelt sich um einen 39-jährigen algerischen Staatsbürger. “Dem Mann wird vorgeworfen, am Abend des 7. November 2009 an der Außenmauer des Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde zu Dresden antisemitische und verfassungsfeindliche Parolen und Schriftzüge aufgebracht zu haben. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.”

     

    http://www.polizei.sachsen.de/lka/4226.htm

     

    Hmmm.......aber Hauptsache, der Kampf gegen Rechts wird intensiviert.

  • M
    Matthias

    Hallo TAZ, bitte diesmal sachlich berichten über die Hakenkreuzschmiereien in Dresden und nicht alles immer deutschen Nazis in die Schuhe schieben. Danke!

     

    Die Staatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt Sachsen, Abteilung Polizeilicher Staatsschutz, teilen mit, dass am 21. November 2009 ein 39-jähriger algerischer Staatsbürger, wohnhaft in Dresden, als Tatverdächtiger ermittelt wurde. Der Mann ist bisher noch nicht mit politisch-motivierten Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten.

    Auf Grund von Videoauswertungen und Zeugenaussagen konnten die Ermittler den Weg des Mannes nach der Tat rekonstruieren. An dieser Stelle möchte sich die Polizei ausdrücklich bei den Zeugen für ihre Mithilfe bedanken.

     

    Dem Mann wird vorgeworfen, am Abend des 7. November 2009 an der Außenmauer des Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde zu Dresden antisemitische und verfassungsfeindliche Parolen und Schriftzüge aufgebracht zu haben. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

     

    Die Ermittlungen dauern an.

     

    http://www.polizei.sachsen.de/lka/4226.htm

  • F
    fonzie

    In der Fankfurter Rundschau stand zu den Ermittlungen bezüglich dem "Überfall" geschrieben:

    "Auch der Sohn eines Richters ist dabei - und der Vater arbeitet als Strafrichter ausgerechnet beim Amtsgericht in Schwalmstadt, wo der Prozess gegen die FKSE-Kameraden stattfinden soll. Wann, ist noch offen. Angepeilt wird jedoch ein Termin im Mai."

    Na Prost Mahlzeit!

  • JS
    Jan S.

    Die inzwischen sich mehr und mehr gefestigten Strukturen einer rechtsextremistischen Kameradschaft in Nord -und Mittelhessen, ist ein Thema, das unbedingt ausführlich analysiert und öffentlich gemacht werden muss. Denn als anfingen sich diese Vorfälle zu häufen, hatte zunächst der Polizeichef dort in einer Pressemitteilung behauptet im Wortlaut: "Es gibt hier keine Neo-Nazis" und sogar die CDU-Regierung weigerte sich zunächst im Landtag, einer von SPD, Grüne und die Linke parteienübergreifende Resolution mitzuunterzeichnen, mit einer ähnlichen absurden Begründung wie diejenige der zuständigen Polizei! Sehr bedenklich. Zu Mittweida hier noch eine Aufklärung auch über das dortige staatliche Versagen wie in Hessen:

     

    http://www.swr.de/report/-/id=233454/did=3461438/pv=video/nid=233454/28db7e/index.html

     

    In Hessen ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann es das erste rechte Tötungsdelikt gäbe!

  • C
    Clara

    Ob 'echter-deutscher-' oder 'Stammtisch-' Nazi oder 'nur einfacher' Antisemit, ... egal! Es spielt doch überhaupt keine Rolle ob die Person, die z.B. eine Synagoge als Plattform nutz, der Scheiße in seinem/ihrem Kopf einen Raum zu geben, die 'richtige' "nationalität" hat, oder ob die Person ins Nazirasta der Gesellschaft passt ...

     

    Es gibt auf all die verschiedenen Erscheinungsformen ein und die selbe Antwort!!!

    Ich kann mir gut vorstellen, wer später (wenn die Antwort kommt) kriminalisiert wird. Aber was solls, die Arbeit muss ja gemacht werden...

  • A
    anteater

    Hauptsache wir haben genug Geld für unsere Bank-Zocker...

  • E
    Ernst

    @Gereon Wisniarek was sie fuer einer sind bemerkt man an ihrer art zu schreiben.

    Das mit der Synagoge scheint ihnen ja sehr wichtig zu sein, aber wir sprechen hier von Gewalttaten die fuer das 13-Jaehrige Maedchen fast toedlich ausgegangen waeren! Und der Polizeibeamte wird sich seine Kopfverletzung auch nicht gewuenscht haben!

     

    UND JA, wer Minderjaehrige mit Klappspaten attackiert gehoert bekaempft!!!

  • K
    keetenheuve

    Mittweida läßt grüßen. Wie Dresden zum wiederholten Male belegt, werden viel angebliche Nazi-Vorfälle gar nicht von Nazis begangen. Dementsprechend sollte man grundsätzlich mißtrauisch bei solchen Meldungen wie in Hessen sein. Erstaunlich, dass die taz Mittweida und Co. kaum thematisiert.

  • S
    Sub

    Na super, ausgerechnet jetzt will die Regierung die Programme gegen Rechtsextremismus kürzen..

  • GW
    Gereon Wisniarek

    "Neonazis" gefasst !!!

     

     

    Der “Nazi”, der die Synagoge in Dresden mit Hakenkreuzen beschmiert hat, ist gefasst.

     

    http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2309409

     

    Es handelt sich um einen 39-jährigen algerischen Staatsbürger. “Dem Mann wird vorgeworfen, am Abend des 7. November 2009 an der Außenmauer des Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde zu Dresden antisemitische und verfassungsfeindliche Parolen und Schriftzüge aufgebracht zu haben. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.”

     

    http://www.polizei.sachsen.de/lka/4226.htm

     

    Hmmm.......aber Hauptsache, der Kampf gegen Rechts wird intensiviert.

  • M
    Matthias

    Hallo TAZ, bitte diesmal sachlich berichten über die Hakenkreuzschmiereien in Dresden und nicht alles immer deutschen Nazis in die Schuhe schieben. Danke!

     

    Die Staatsanwaltschaft Dresden und das Landeskriminalamt Sachsen, Abteilung Polizeilicher Staatsschutz, teilen mit, dass am 21. November 2009 ein 39-jähriger algerischer Staatsbürger, wohnhaft in Dresden, als Tatverdächtiger ermittelt wurde. Der Mann ist bisher noch nicht mit politisch-motivierten Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten.

    Auf Grund von Videoauswertungen und Zeugenaussagen konnten die Ermittler den Weg des Mannes nach der Tat rekonstruieren. An dieser Stelle möchte sich die Polizei ausdrücklich bei den Zeugen für ihre Mithilfe bedanken.

     

    Dem Mann wird vorgeworfen, am Abend des 7. November 2009 an der Außenmauer des Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde zu Dresden antisemitische und verfassungsfeindliche Parolen und Schriftzüge aufgebracht zu haben. Gegen ihn wird wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

     

    Die Ermittlungen dauern an.

     

    http://www.polizei.sachsen.de/lka/4226.htm

  • F
    fonzie

    In der Fankfurter Rundschau stand zu den Ermittlungen bezüglich dem "Überfall" geschrieben:

    "Auch der Sohn eines Richters ist dabei - und der Vater arbeitet als Strafrichter ausgerechnet beim Amtsgericht in Schwalmstadt, wo der Prozess gegen die FKSE-Kameraden stattfinden soll. Wann, ist noch offen. Angepeilt wird jedoch ein Termin im Mai."

    Na Prost Mahlzeit!